Nur noch wenige Plenarsitzungen gibt es vor der EU-Wahl, das EU-Parlament, das diese Woche wieder in Straßburg tagt, will daher noch möglichst viele Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen. Streit und Diskurs gehört dazu; gestern wurden dennoch die Positionen für das „Recht auf Reparatur“ (strengere Vorgaben für kaputte Geräte, die repariert statt einfach nur ausgetauscht werden sollen, etwa Waschmaschinen oder Geschirrspüler), die Reduktion von CO₂-Emissionen von Lkw und Bussen oder das Ende aller fossilen Subventionen bis 2025 (im Vorfeld der Umweltkonferenz COP 28) beschlossen.
Doch richtig rund ging es um eine Abstimmung, die heute auf der Agenda steht. Dabei geht es um die EU-Verpackungsverordnung, die dazu beitragen soll, mehr Verpackungen wiederzuverwenden und zu recyceln, unnötige Verpackungen und Abfälle zu reduzieren und die Verwendung von recycelten Inhalten zu fördern. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Verpackungen würde ohne neue Regeln in der EU bis 2030 von jährlich 190 Kilogramm auf geschätzte 209 Kilogramm wachsen, so eine Berechnung der Kommission.
Doch der Vorschlag enthält auch Produkte, die jeder aus dem täglichen Leben kennt. Dazu gehören etwa die kleinen Zuckersackerln auf der Kaffeetasse, die kleinen Behälter mit Milch oder Obers, einzeln verpackte Ketchup- oder Mayonnaise-Portionen, die kleinen Shampoo- oder Lotion-Fläschchen im Hotelzimmer, Einweg-Plastikverpackungen für Obst und Gemüse aus dem Supermarkt oder die leichten Plastiksäcke. Betroffen wären aber auch Fast-Food-Ketten ebenso wie der weiter wachsende Markt der Essenszusteller. Sie sollen in Zukunft wiederverwendbarer Teller und Behälter verwenden. Die internationalen Konzerne warnten in einer Marketing-Aktion im EU-Parlament auch prompt davor, dass damit das Ende der Lieferdienste besiegelt sei.
Zustimmung und Ablehnung
Während das etwa Grün-Abgeordneten Thomas Waitz eher kaltlässt („Das ist Unsinn, die Verpackung soll bis 2035 recycelbar sein und auch ein Fast-Food-Konzern wird sich einen Geschirrspüler leisten können“), ist ÖVP-Umweltsprecher Alexander Bernhuber auf Gegenkurs: „Das ist eine praxisferne Lösung und skurril, hier ein Verbot zu fordern.“ Das gewünschte Ende der Zuckersackerln sei „mehr Schikane als Nutzen“, Bernhuber fürchtet sogar, der Verzicht auf die Einweg-Kleinstverpackungen hätte für die europäische Industrie „Belastungen im Milliardenbereich“.
Was in Österreich die Zuckersackerln, sind in Frankreich die hölzernen Behälter für Camembert. Die kleinen Schachteln sind, ähnlich wie Leichtholz-Boxen für Erdbeeren oder ähnliche Produkte, angezählt, weil es derzeit noch kein brauchbares Recyclingverfahren gibt. So wie übrigens auch für die Wachshüllen mancher Käsesorten. Die französische Europaministerin Laurence Boone formulierte es so: „Wenn man Europa vor den Wahlen zur Karikatur machen will, dann fängt man an, die Camembert-Hersteller mit ihren Holzverpackungen zu nerven.“