Die EU-Kommission will die Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat um weitere zehn Jahre verlängern - mit neuen Einschränkungen. Dazu gehören ein Verbot der Verwendung als Trockenmittel vor der Ernte und die Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz von umliegenden Pflanzen. Da im EU-Berufungsausschuss am Donnerstag erneut keine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten für die Zulassung erzielt wurde, liegt der Ball nun bei der Kommission.
EFSA sah Glyphosat-Wiederzulassung unkritisch
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sah eine Wiederzulassung in ihrer letzten Bewertung unkritisch, wie zuvor schon die Europäische Chemikalienbehörde ECHA. Die aktuelle Zulassung läuft am 15. Dezember 2023 aus. Um eine qualifizierte Mehrheit zu erreichen, hätten mindestens 55 Prozent der EU-Staaten (15 von 27 Ländern), die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen für oder gegen den Vorschlag stimmen müssen.
Bei der ersten Abstimmung am 13. Oktober stimmte Österreich - wie auch Kroatien und Luxemburg - aufgrund eines Parlamentsbeschlusses gegen den Antrag. Sechs EU-Staaten, darunter Frankreich und Deutschland, enthielten sich. Laut Beobachtern war das Abstimmungsverhalten diesmal ähnlich.
Bei einer neuerlichen Zulassung kann Österreich im Alleingang den Einsatz von Glyphosat nicht aussetzen. Allerdings wurde im Jahr 2021 ein Teilverbot im Nationalrat beschlossen. Seitdem darf Glyphosat an sensiblen Orten wie Kinderspielplätzen, Parks oder Gesundheitseinrichtungen nicht mehr eingesetzt werden. In der Landwirtschaft, in der es bei weitem am meisten zum Einsatz kommt, blieb es aber weiter erlaubt.
„Die Kommission hat dieses Ergebnis selbst forciert, weil sie nach der ersten Abstimmung über die Zulassung ihren rechtswidrigen Vorschlag nicht verändert hat. Erneut lagen zehn weitere Jahre Glyphosat mit nur minimalen Einschränkungen auf dem Tisch“, kommentierte Sarah Wiener, Grüne EU-Abgeordnete und Berichterstatterin der neuen EU-Pestizidverordnung, die kommende Woche im EU-Parlament abgestimmt wird. Zwei Drittel der EU-Bürger und Bürgerinnen seien laut Umfragen gegen Glyphosat.
Wiener zitiert auch aus einer neuen, noch nicht veröffentlichten Studie des italienischen Ramazzini-Instituts über die gesundheitlichen Auswirkungen von Glyphosat. Dabei wurde ein Auftreten einer seltenen Form von Leukämie bei Ratten festgestellt, auch wenn diese nur geringen Dosen des Herbizids ausgesetzt waren. Da derzeit unklar sei, ob diese Daten Auswirkungen auf die früheren Stellungnahmen der Behörden hätten, werde die Kommission ihren Vorschlag nicht ändern, erklärte daraufhin einer deren Sprecher laut Medienberichten.
Ursprünglich von US-Konzern Monsanto entwickelt
Glyphosat zählt zu den weltweit am meisten eingesetzten Herbiziden und wurde vom US-Konzern Monsanto entwickelt, den der deutsche Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer übernahm. Mit dem Zukauf holte sich Bayer auch eine Klagewelle wegen der angeblich krebserregenden Wirkung von Glyphosat ins Haus. Behörden weltweit, darunter die US-Umweltbehörde EPA und die Europäische Chemikalienagentur, haben das Herbizid als nicht krebserregend eingestuft - eine Ansicht, der viele Umwelt-NGOs widersprechen.
Bayer begrüßte in einer ersten Stellungnahme gegenüber der APA die Entscheidung der EU-Kommission. „Diese erneute Genehmigung ermöglicht es uns, Landwirten in der gesamten Europäischen Union weiterhin eine wichtige Technologie für die integrierte Unkrautbekämpfung zur Verfügung stellen zu können.“ Das Unternehmen wies zudem darauf hin, dass heute mit 17 von 27 EU-Staaten eine Mehrheit für den Kommissionsvorschlag gestimmt habe.
Auswirkungen werden „ignoriert“
„In bereits zwei Abstimmungen hat es für die Verlängerung von Glyphosat keine qualifizierte Mehrheit geben - trotzdem will die Europäische Kommission das giftige Mittel für weitere zehn Jahre genehmigen. Damit werden die Auswirkungen auf die Biodiversität und unsere Gesundheit ignoriert“, warnte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) in einem Statement gegenüber der APA.