Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nahm gestern Abend an einem Treffen der EU mit mehreren EU-Regierungschefs in Berlin teil. Beim EU-Gipfeltreffen in Granada im Oktober war vereinbart worden, in einem informellen Austausch in kleineren Gruppen die Ziele der EU zu beraten. Zu den zu diskutierenden Fragen zählen nach Angaben des EU-Rates die künftige EU-Erweiterung, die künftige Finanzierung der EU sowie die Reform der EU-Entscheidungsfindung und der Abstimmungsregeln.
Die Treffen in Kleingruppen finden in mehreren Hauptstädten der Europäischen Union statt. In Berlin sind nach Angaben des Bundeskanzleramts neben Kanzler Nehammer, EU-Ratspräsident Charles Michel und dem Gastgeber, Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz, auch die Staats- bzw. Regierungschefs aus Griechenland, Belgien, Zypern, Litauen und Ungarn vertreten. Als schwierig gilt insbesondere das Verhältnis zu Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán. Ungarn hat immer noch nicht grünes Licht für den Beitritt des EU-Partners Schweden zur Nato gegeben. Auch der von der EU-Kommission gewünschten Beitrittsperspektive der Ukraine zur EU steht Ungarn skeptisch gegenüber.
„Bei kleinen Fragen zurücknehmen“
Der Fokus liegt für Österreich laut Kanzleramt besonders auf einem „Paradigmenwechsel im Bereich Migration“, der „Stärkung der EU-Wettbewerbsfähigkeit in der Welt“ und „einem ehrlichen Ansatz in Bezug auf Erweiterung, im Zuge dessen alle potenziellen Kandidaten gleichbehandelt werden“. Die Europäische Union solle sich „auf die großen Fragen konzentrieren und sich bei kleineren Fragen zurücknehmen“, forderte Nehammer demnach. Erneut unterstrich der Kanzler, dass das EU-Asylsystem „kaputt“ sei. In Bezug auf künftige EU-Erweiterungen warnte Nehammer, es dürfe „kein Fast-Track-Verfahren für manche Kandidaten geben“. Der Einwurf bezog sich offenbar auf die Ukraine, mit der die EU-Kommission kürzlich Beitrittsverhandlungen empfohlen hatte. Einmal mehr brachte er den Westbalkan ins Spiel: „Der EU-Erweiterungsprozess schafft großen Ansporn für Reformen und exportiert Stabilität in unsere Nachbarschaft. Daher sind wir stets ein Unterstützer der EU-Beitrittsperspektive des Westbalkans gewesen und werden dies weiterhin sein.“