Die islamische Welt sucht eine gemeinsame Position zum Gaza-Krieg. Saudi-Arabien richtet an diesem Wochenende zwei Gipfeltreffen aus, an denen alle wichtigen islamischen Akteure teilnehmen: die arabischen Staaten, die Türkei und der Iran. Vor den Treffen herrschte Einigkeit darüber, dass die israelischen Angriffe auf Gaza gestoppt und eine Ausweitung des Krieges auf andere Länder der Region verhindert werden soll. Viele Gipfelteilnehmer wollen dabei eine Aufwertung der Hamas und des Iran vermeiden.
In der saudischen Hauptstadt Riad kamen an diesem Samstag zunächst Spitzenpolitiker der 22 Länder der Arabischen Liga zu einem Sondergipfel zusammen. Am Sonntag folgt ebenfalls in Riad eine Konferenz der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), der 57 Staaten angehören. Zu diesem Gipfel werden unter anderem der iranische Präsident Ebrahim Raisi und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan in der saudischen Hauptstadt erwartet.
Katar setzt sich für Freilassung der Geiseln ein
Als Gastgeber will der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman versuchen, sich als Sprecher der islamischen Welt zu profilieren. Diese Rolle beanspruchen allerdings auch andere Gipfel-Teilnehmer wie etwa Erdoğan.
Die Treffen in Riad bringen Staaten mit unterschiedlichen Positionen zu Israel zusammen. Länder wie Ägypten, Jordanien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain und Marokko haben Friedensverträge mit dem jüdischen Staat und wollen trotz aller Kritik am israelischen Vorgehen in Gaza ihre Beziehungen zu Israel nicht abbrechen. Andere Länder wie Gastgeber Saudi-Arabien und die Türkei bemühten sich bis zum Kriegsausbruch am 7. Oktober um bessere Beziehungen zur israelischen Regierung. Einige wie Katar und Ägypten vermitteln zwischen Israel und der Hamas und haben seit dem 7. Oktober die Freilassung einiger Geiseln und die freie Ausreise von Ausländern aus Gaza erreicht. Am anderen Ende des Spektrums steht der Iran, der Israel von der Landkarte tilgen will.
Die arabischen Außenminister kamen am Donnerstag zu einem Vorbereitungstreffen in Riad zusammen. Konsensfähig ist im Kreis der islamischen Staaten eine scharfe Verurteilung Israels sowie der Ruf nach einer sofortigen Waffenruhe in Gaza und nach der Ausweitung der Hilfslieferungen für die Zivilisten. Erdoğan bot vor dem Gipfel an, Verletzte und Schwerkranke in türkischen Krankenhäusern behandeln zu lassen. Er halte das Treffen von Riad für sehr wichtig, sagte der türkische Präsident.
Der Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, betonte am ersten Gipfeltag, sein Land setze sich für die Freilassung der von der Hamas verschleppten Geiseln ein. Gleichzeitig kritisierte er Israel und den Westen. „Wie lange wird die internationale Gemeinschaft Israel so behandeln, als ob es über internationalen Gesetzen stünde?“ , sagte Scheich Tamim
Iranischer Auftritt mit Spannung erwartet
Mit besonderer Spannung wurde Raisis Auftritt erwartet. Dass der iranische Präsident überhaupt Saudi-Arabien besucht, ist bemerkenswert. Die beiden Länder sind Rivalen in der Golf-Region und hatten erst im Frühjahr nach Vermittlung durch China nach siebenjähriger Pause wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen. Raisi und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman hatten kurz nach Ausbruch des Gaza-Krieges im Oktober erstmals miteinander telefoniert.
Nach seiner Ankunft in Riad rief Raisi die muslimischen Länder auf, Öl- und Warensanktionen gegen Israel zu verhängen. „Es gibt keinen anderen Weg, als sich Israel zu widersetzen“, erklärte der iranische Präsident. Die radikal-islamische Hamas lobte er für ihren Krieg gegen Israel. „Wir küssen der Hamas die Hände für ihren Widerstand gegen Israel.“
Der Iran finanziert das Rüstungsprogramm der Hamas und setzt Israel auch mit anderen Verbündeten wie der Hisbollah-Miliz im Libanon, den Huthi-Rebellen im Jemen und pro-iranischen Gruppen in Syrien unter Druck. Ob der Gaza-Krieg auf andere Länder der Region übergreift, hängt deshalb nicht zuletzt vom iranischen Regime ab.
Eine einheitliche Position zur Hamas dürfte in Riad schwer zu erreichen sein. Einige arabische Staaten wie die VAE verfolgen die Bewegung der Muslim-Bruderschaft, zu der die Hamas gehört, als Terrororganisation. Sie wollen nicht den Eindruck erwecken, unter dem Eindruck des Hamas-Angriffs auf Israel zu neuen Initiativen für die Palästinenser gezwungen zu werden.
Keine westlichen Vertreter
Der Westen kann die Gipfelergebnisse kaum beeinflussen. Die USA – der wichtigste Verbündete Israels, aber auch ein Partner arabischer Staaten – werden nach Angaben des Außenministeriums in Washington keine Vertreter nach Riad schicken.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock informiert sich seit Freitag bei einer neuen Nahost-Reise über die Stimmung in der Region. Ziele ihrer dritten Visite in der Region seit dem 7. Oktober sind die VAE, Saudi-Arabien und Israel. „Die historische Chance eines Friedens Israels mit seinen arabischen Nachbarn darf nicht kaputtgehen“, erklärte Baerbock vor ihrer Abreise. Sie will sich bei der Reise auch für die Freilassung weiterer Geiseln und eine Eingrenzung des Konflikts einsetzen. „Wir haben nur Aussicht auf Erfolg, wenn wir zusammen mit den arabischen Golfstaaten an einem Strang ziehen.“