Eine Gruppe von 31 Österreichern und Österreicherinnen ist am Mittwochnachmittag über den Grenzübergang Rafah im Süden des Gazastreifens nach Ägypten evakuiert worden. Das teilte das Außenministerium am Abend in einer Aussendung mit. Insgesamt konnten am Mittwoch mindestens 320 ausländische Staatsangehörige und Palästinenser mit Zweitpass die Grenze nach Ägypten überqueren und den Gazastreifen verlassen.

Auch Frankreich und Italien bestätigten die Ausreise von fünf beziehungsweise vier ihrer Staatsangehörigen am Mittwoch. Deutsche durften den Gazastreifen ebenso verlassen. Wie es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß, handelt es sich um eine einstellige Zahl ausgereister Deutscher. US-Präsident Joe Biden erwartet noch im Laufe des Mittwochs die Ausreise amerikanischer Bürger. „Und wir erwarten, dass in den nächsten Tagen noch mehr ausreisen werden“, schrieb Biden am Mittwoch auf der Plattform X (Twitter). US-Bürger konnten den Gazastreifen über den Grenzübergang Rafah verlassen, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, etwas später. „Die Situation ist nach wie vor äußerst unbeständig.“

Laut Augenzeugen und nach Angaben des Roten Halbmonds kamen am Mittwoch Bürgerinnen und Bürger mit der Staatsangehörigkeit Kanadas, Österreichs, Finnlands, Tschechiens, Bulgariens sowie Japans, Australiens und Indonesiens nach Ägypten.

Ein Palästinenser-Vertreter sprach von sechs Bussen, die abgefahren seien. Die Zahl wurde auch von drei Mitgliedern der ägyptischen Sicherheitskräfte genannt. Der Ägyptische Rote Halbmond im Nord-Sinai bestätigte der Deutschen Presse-Agentur die Einreise von 285 Personen am Mittwoch. Insgesamt 525 Ausländer und Palästinenser mit weiterer Staatsangehörigkeit sollten am Mittwoch ausreisen können, sagte Generalsekretär Abdel Nasser.

„Allen Evakuierten geht es den Umständen entsprechend gut“

„Wir sind sehr erleichtert, dass es heute am späten Nachmittag gelungen ist, eine erste Gruppe von 31 Österreicher:innen über den Grenzübergang Rafah im Süden Gazas nach Ägypten zu evakuieren und so in Sicherheit zu bringen“, teilte das Außenministerium in Wien mit. Österreich gehört zu den ersten Ländern, dessen Staatsbürger ausreisen konnten.

Es handle sich dabei hauptsächlich um Doppelstaatsbürger, die in Gaza ihren Lebensmittelpunkt haben oder auf Familienbesuch waren, darunter zehn Minderjährige. Die Jüngste ist ein sechsjähriges Mädchen, so das Außenamt. Unter den Evakuierten befänden sich auch ein Mitarbeiter des österreichischen Vertretungsbüros Ramallah mit seiner Familie sowie zwei österreichische Ärztinnen, die für eine internationale Organisation in Gaza tätig waren. „Allen Evakuierten geht es den Umständen entsprechend gut, sie sind physisch wohlauf.“

Ein Krisenteam der österreichischen Botschaft in Ägypten sei bereits in der Nacht mit Bussen von Kairo nach Rafah aufgebrochen, um die evakuierten Österreicher in Empfang zu nehmen. Die Gruppe werde jetzt in eine von der Botschaft organisierte Unterkunft gebracht, wo sie bei Bedarf ärztlich versorgt werden könnten. Das Botschaftsteam unterstütze sie außerdem dabei, die Weiterreise zu organisieren. Vor Ort sei noch eine Handvoll ausreisewilliger Österreicher und deren Angehörige. „Wir werden weiterhin nichts unversucht lassen, um auch ihnen eine rasche und vor allem sichere Ausreise zu ermöglichen“, betonte das Außenministerium.

Auch palästinensische Verletzte wurden am Mittwoch erstmals seit Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober über die Grenze nach Ägypten gebracht. Der Ägyptische Rote Halbmond bestätigte, dass „ein neuer Schub verwundeter und verletzter Palästinenser“ in Krankenhäuser nahe der Grenze eingeliefert wurde. Laut einer Mitteilung der Grenzbehörde in Gaza sollten am Mittwoch 81 Schwerverletzte die Grenze überqueren.

Ägypten hat ein Feldlazarett in Sheikh Zuweid eingerichtet, etwa 15 Kilometer von Rafah entfernt. Zudem sollen die schwersten Fälle an Krankenhäuser in der Region Sinai und bis nach Ismailia gebracht werden. Der Leiter des Nasser-Hospitals im Gazastreifen, Nahed Abu Taeema, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, unter der ersten Gruppe von 81 Verletzten seien 19 im kritischen Zustand. „Sie benötigen anspruchsvollere Operationen, die hier nicht vorgenommen werden können, weil die Kapazitäten fehlen“, sagte er. Dies gelte insbesondere für Frauen und Kinder.

Grenzübergang nach Ägypten erstmals seit 7. Oktober geöffnet

Die Zahl von 81 ist gering im Hinblick auf die mehr als 20.000 Menschen, die dem Hamas-kontrollierten Gesundheitsministerium zufolge im Krieg bisher im Gazastreifen verletzt wurden. 1,4 Millionen Menschen sind dort wegen Israels Angriffen nach UNO-Angaben auf der Flucht.

Der Deal zur Evakuierung kam durch Vermittlung Katars zustande und wurde zwischen Ägypten, Israel und der radikal-islamischen Hamas vereinbart, wie die Nachrichtenagentur Reuters von Insidern erfuhr. Nicht darin einbezogen waren demnach andere strittige Fragen wie die Freilassung der von der Hamas in den Gazastreifen verschleppten rund 240 Geiseln oder eine Waffenruhe.

Der Grenzübergang Rafah ist der einzige nicht von Israel kontrollierte Grenzübergang zum Gazastreifen. Am Mittwoch wurde der Grenzübergang erstmals seit dem Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober für Menschen geöffnet. Bisher passierten den Übergang Hilfsgüter für die notleidende Bevölkerung.

Die im Gazastreifen seit 2007 herrschende radikalislamische Hamas hatte am 7. Oktober bei einem beispiellosen Großangriff auf Israel nach israelischen Angaben mindestens 1.400 Menschen getötet, überwiegend Zivilisten, und mindestens 240 Menschen in den Gazastreifen verschleppt. Als Reaktion auf den Hamas-Angriff hat Israel den Gazastreifen unter Dauerbeschuss genommen. Durch die israelischen Bombardierungen wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde 8.796 Menschen getötet. Die Zahlen lassen sich gegenwärtig nicht unabhängig überprüfen.