Die Stimme des russischen Piloten klang ruhig: „Bitte bleiben Sie auf Ihren Plätzen. Und versuchen Sie nicht, die Türen des Flugzeugs zu öffnen.“ Draußen stehe eine aufgebrachte Menge, es sei nicht auszuschließen, dass man auch Prügel abkriege.

Gelandet war die Maschine auf dem Flughafen der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala, der am Sonntagabend zum Schauplatz von massiven antisemitischen Ausschreitungen wurde. Die Insassen mehrerer Flugzeuge wurden von einem aufgebrachten Mob stundenlang belagert, 20 Menschen, darunter neun Polizisten, verletzt. Bereits im Laufe des Sonntags waren in der russischen Kaukasusrepublik, in der der Islam seit Jahren auf dem Vormarsch ist, zahlreiche Aufrufe in den sozialen Medien aufgetaucht, zum Flughafen zu fahren und keine Israelis nach Dagestan hereinzulassen.

„Allahu akbar“-Rufe

Gegen 19.20 Uhr Ortszeit traf die Maschine der Fluggesellschaft Red Wings aus Tel Aviv am Flughafen Machatschkala ein. Unter den 50 Passagieren waren vier Bürger Israels, die von hier nach Moskau weiterfliegen wollten. Laut dem Telegramkanal Baza wurden sie von 1500 meist jungen und männlichen Dagestanern erwartet. Diese stürmten auf das Flugfeld und kreisten auch andere Maschinen ein. Videos zeigen, wie sie palästinensische Fahnen schwenken, „Allahu akbar“ rufen und Polizisten mit Steinen bewerfen. Die Menge umkreiste einzelne Passagiere und verlangte ihre Pässe, eine große Gruppe wütender junger Männer stürmte auf der Suche nach Juden auch das Flughafengebäude.

Spannend wird nun, wie die Regierung in Moskau mit antisemitischen Ausschreitungen wie diesen im Nordkaukasus umgehen wird – insbesondere im Hinblick auf die Geschichte des islamistischen Terrors innerhalb Russlands. In einer ersten Reaktion warf man dem Westen Destabilisierungsversuche und Provokation vor. Vor dem Hintergrund der Bilder des „Horrors“ im Gazastreifen sei es „sehr leicht, die Situation zu missbrauchen, zu provozieren, die Leute aufzubringen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Putin hielt Hamas die Stange

Bisher hielten Präsident Wladimir Putin, seine Propagandisten und Geheimdienste der Hamas im Konflikt mit Israel die Stange. Moskau unterstützte lautstark die Narrative der Terrorgruppe, etwa deren Falschmeldungen über den vermeintlich israelischen Angriff auf ein Krankenhaus in Gaza-Stadt. Und auch hinter den Kulissen hilft man offensichtlich der Hamas. Laut Andrej Jussow, dem Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes GUR, hat Moskau die Terrorgruppe beraten und mit Schusswaffen versorgt. Söldner der auch in Syrien und in Libyen agierenden Wagner-Truppe sollen die islamistischen Kämpfer zudem an panzerbrechenden Drohnen ausgebildet haben. Außerdem habe Russland in der Ukraine erbeutete Westwaffen an die Hamas geliefert und das Kiew in die Schuhe geschoben.

Tatsächlich war Russland in den vergangenen Wochen einer der Hauptnutznießer des neuen Nahostkonflikts. Denn der Westen muss jetzt zumindest einen Teil seiner Aufmerksamkeit und Militärhilfe statt der Ukraine Israel widmen. Gleichzeitig bietet sich der Kreml als Vermittler an, vielen Beobachtern zufolge will Putin den Krieg auch politisch nutzen, um seinen Einfluss im Nahen Osten auszubauen.

Für Israel inakzeptabel

Die Nahostpolitik Putins ist für Israel freilich mehr als inakzeptabel. Während eines Interviews mit dem russischen Propagandasender RT ließ Amir Weitmann, Anführer des liberalen Flügels der israelischen Regierungspartei Likud, Moskau etwa ausrichten: „Russland unterstützt Nazis, die unter uns einen Genozid anrichten wollen, und Russland wird dafür bezahlen.“