Arbeitsminister Martin Kocher hat Bundeskanzler Karl Nehammer (beide ÖVP) nach dessen unbeabsichtigt veröffentlichten Video in Schutz genommen. Man müsse den Auftritt im Kontext sehen, sagte er am Sonntag in der ORF-"Pressestunde". Es sei ein Unterschied, ob man im Parlament eine Rede hält oder im kleinen Kreis. Auch inhaltlich verteidigte Kocher seinen Parteichef, etwa die Kritik an der zunehmenden Teilzeit-Arbeit in Österreich.

"Hin und wieder in Rage"

Angesichts der Darstellung der Zustände in Österreich in der Öffentlichkeit könne es passieren, "dass man hin und wieder in Rage gerät", meinte Kocher. Zwar gebe es sicher Sorgen und Nöte, dass es im Land aber generell weit verbreitet manifeste Armut gebe sei falsch. Die im Internet verbreiteten Ausschnitte der Rede Nehammers vor Funktionären seien zudem nicht für die Öffentlichkeit gedacht gewesen, betonte der Minister.

Inhaltlich ist dem Minister eine "faktenorientierte Diskussion" wichtig, wie er betonte. Über einzelne Punkte, die Nehammer angesprochen hat, könne man sicher diskutieren. Beim Thema Teilzeit bleibt aber auch Kocher auf dem Standpunkt, dass viele Österreicherinnen und Österreicher aus demografischen Gründen mehr Stunden arbeiten sollten, wenn sie es auch können. Kinderbetreuungspflichten seien dabei natürlich ausgenommen.

Auch an der Sozialpartnerschaft habe der Kanzler nicht generell Kritik geübt, interpretierte Kocher die Aussagen Nehammers. Diese spielte "eine sehr wichtige Rolle" in Österreich und es sei klar, dass diese ihre Interessen stark vertreten würden. Kritik gebe es aber daran, dass Maßnahmen der Regierung bei den Lohnverhandlungen nicht so stark einbezogen worden seien, "als wir uns gewünscht hätten".

"Stimmung insgesamt sehr gut"

Positiv äußerte sich Kocher zur Zusammenarbeit mit den Grünen, obwohl es natürlich unterschiedliche Standpunkte gebe: "Insgesamt sind die Stimmung und das Klima in der Koalition sehr gut." Arbeit gebe es in der restlichen Legislaturperiode genug zu erledigen. Die Frage, ob Kocher - der mehrmals betonte parteifrei zu sein - auch in einer von der FPÖ angeführten Regierung seinen Job weiter machen würde, verneinte er: "Das kann ich mir nicht vorstellen."

Empörung in der ÖVP rief indes ein offener Brief von SPÖ-Chef Andreas Babler hervor, in dem er nach dem Auftauchen des Nehammer-Videos offen um christlich-soziale Wähler wirbt. "Jetzt ist die Katze aus dem Sack", befand Fritz Pöltl FCG-ÖAAB-Fraktionsvorsitzender in der AK-Wien, der ein Ablenkungsmanöver der SPÖ von der SORA-Affäre vermutet. Christliche Werte seien in Bablers Gedankengut "kaum bis gar nicht zu finden".