Bei ihrem Auftritt im Nationalarchiv in Washington füllt Olena Selenska ihre Rolle als First Lady trotz der spürbaren Nervosität perfekt aus. Abwechselnd mit ihrem Mann Wolodymyr tritt die 45-Jährige ans Mikrofon, um den geladenen Gästen, aber vor allem dem amerikanischen Volk, die zentrale Botschaft dieser USA-Reise zu vermitteln. Nie zuvor habe die Ukraine so viel Grund gehabt, dankbar zu sein, sagt Selenska im großen Kuppelsaal des altehrwürdigen Gebäudes.
Dass der ukrainische Präsident und seine Frau gemeinsam auftreten – oder so wie jetzt in den USA gleich mehrere Tage zusammen verbringen – kommt seit dem russischen Überfall vor knapp 20 Monaten jedoch kaum vor. Erst kürzlich hatte Selenska in einem Interview mit der BBC über das schwierige Familienleben in Kriegszeiten berichtet und wie wenig Zeit für Gemeinsamkeit bleibe. So vermisse nicht nur ihr Sohn seinen Vater, sondern auch sie ihren Mann.
Dass sie offen über ihre Gefühle spricht, gleichzeitig aber Stärke und Zuversicht ausstrahlt, hat Selenska in den vergangenen Monat nicht nur in der Ukraine selbst viel Anerkennung eingebracht. Vielen Frauen weltweit sehen in ihr ein Vorbild, das auch in schwierigen Zeiten Mut macht.
Das Rampenlicht gesucht hat Selenska, die mit ihrem Mann neben dem zehnjährigen Sohn auch eine 19-jährige Tochter hat, aber nie. "Ich mag es, im Hintergrund zu bleiben – das hat zu mir gepasst",
sagte sie gegenüber der "Vogue". In die erste Reihe zu treten, sei für sie daher schwierig gewesen.
Dass sie lieber ihrem Mann den großen Auftritt überlässt, hatte sich schon gezeigt, als dieser noch nicht Präsident, sondern ein populärer Komiker war. Während Selenskyj auf der Bühne oder vor der Kamera stand, arbeitete seine Frau als Autorin und Produzentin in der Produktionsfirma des 45-Jährigen. Selenskyj, der Olena beim Studium kennenlernte, streut ihr bei jeder Gelegenheit Rosen. "Sie ist sehr stark", sagt der Präsident über seine Frau.