"Was das Flugzeugunglück angeht, so möchte ich zunächst den Familien aller Opfer mein aufrichtiges Beileid aussprechen", sagte der Präsident am Donnerstag während eines Treffens im Kreml mit dem von Moskau eingesetzten Chef der Region Donezk in der Ostukraine. Es war das erste Mal, dass sich Putin zu dem Absturz äußerte.

Dabei nahm er auch Bezug auf Prigoschin: "Er war ein begabter Mensch, ein begabter Geschäftsmann, er arbeitete nicht nur in unserem Land und erzielte Erfolge, sondern auch im Ausland, insbesondere in Afrika. Er war dort mit Öl, Gas, Edelmetallen und Steinen befasst." Putin erklärte, er habe den späteren Söldner-Chef seit den frühen 1990er Jahren gekannt.

Mit Blick auf die Passagiere des abgestürzten Flugzeugs sagte Putin: "Wenn Mitarbeiter der Firma Wagner dort waren, und die vorläufigen Daten deuten darauf hin, möchte ich anmerken, dass diese Menschen einen bedeutenden Beitrag zu unserer gemeinsamen Sache des Kampfes gegen das Neonazi-Regime in der Ukraine geleistet haben." Weiter erklärte er: "Wir erinnern uns daran, wir wissen es und werden es nicht vergessen."

Das für schwere Straftaten zuständige Untersuchungskomitee erklärte am Donnerstag, wegen "Verstoßes gegen die Sicherheitsvorschriften im Luftverkehr" zu ermitteln. Das Komitee schickte demnach ein Ermittlerteam an die Absturzstelle.

Zu der Ursache des Absturzes am Vortag sagte Putin, es müssten die Ermittlungen abgewartet werden. Diese würden Zeit in Anspruch nehmen. Die Ukraine hat jede Verwicklung bestritten. Putin und Prigoschin hatten sich nach dessen Aufstand im Juni offen zerstritten. Unterdessen nahmen die russischen Behörden ihre Ermittlungen auf. Das für schwere Straftaten zuständige Untersuchungskomitee erklärte am Donnerstag, wegen "Verstoßes gegen die Sicherheitsvorschriften im Luftverkehr" zu ermitteln. Das Komitee schickte demnach ein Ermittlerteam an die Absturzstelle. Einflussreiche Kreml-Unterstützer glauben an ein Attentat. Die USA gehen Insidern zufolge von einem Abschuss des Flugzeugs aus.

US-Präsident Joe Biden sagte: "Ich weiß nicht genau, was passiert ist. (...) In Russland passiert nicht viel, hinter dem Putin nicht steht." Die EU wollte den Vorfall vorerst nicht kommentieren. Man habe die Berichte über den Flugzeugabsturz gesehen, aber die Informationen ließen sich nur sehr schwer verifizieren, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Dienstes am Donnerstag. "Kaum etwas, was in diesen Tagen aus Russland kommt, ist glaubwürdig."

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) zeigte sich "nicht überrascht" über den mutmaßlichen Tod Prigoschins. "Es ist eigentlich nicht überraschend, dass das geschehen ist", sagte Schallenberg Mittwochabend in der ZiB 2 des ORF. Bereits in der Vergangenheit hätten Personen, die Handlungen oder Äußerungen setzten, die "Putin nicht zu Gesicht stehen", dann "rasch eine verkürzte Lebenszeit" gehabt.

Politologe Mangott zum Flugzeugabsturz

Politikwissenschaftler Gerhard Mangott (Universität Innsbruck) hielt in der ZiB 2 im Gespräch mit Armin Wolf am Mittwoch die Unfalltheorie für "sehr, sehr unwahrscheinlich, ausgerechnet zwei Monate nach der Meuterei von Prigoschin". Er gehe vom Tod des Anführers der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, aus. Außerdem sollen mehrere Kommandeure der Wagner-Gruppe an Bord gewesen sein.

Die Putin-Verbündete und Chefin des staatlichen Medienunternehmens RT, Margarita Simonjan, schien zu vermuten, dass es sich um ein Attentat gehandelt haben könnte. Zu Gerüchten im Internet, es könne ein Verschwinden Prigoschins "inszeniert" worden sein, sagte sie in Online-Medien: "Aber ich persönlich neige zu der offensichtlicheren Variante."

Alle zehn Insassen starben

Das Flugzeug war am frühen Mittwochabend in der russischen Region Twer abgestürzt. Nach Angaben des Katastrophenschutzministeriums überlebte keiner der zehn Insassen. Die russische Luftfahrtbehörde Rosawiatsija bestätigte, dass sich Prigoschin an Bord des Flugzeugs auf dem Weg von Moskau nach St. Petersburg befunden habe.

Über die anderen Passagiere war zunächst nur wenig bekannt, russischen Medien zufolge waren die meisten Wagner-Söldner. Unter den mutmaßlichen Toten war den Angaben von Rosawiatsija zufolge auch Prigoschins rechte Hand, Dmitri Utkin. Von den Behörden hieß es, bei dem nahe dem Dorf Kuschenkino abgestürzten Flugzeug habe es sich um einen Privatjet vom Typ Embraer Legacy gehandelt.

Auf mehreren mit der Wagner-Gruppe in Verbindung stehenden Kanälen des Online-Dienstes Telegram wurden angebliche Videos des Absturzes verbreitet, deren Echtheit die Nachrichtenagentur AFP zunächst nicht verifizieren konnte. Sie zeigten brennende Trümmer auf einem Feld oder ein vom Himmel fallendes Flugzeug.

Die USA gehen unterdessen Insidern zufolge davon aus, dass die Prigoschin-Maschine durch eine Luftabwehrrakete abgeschossen wurde. Die Rakete sei demnach innerhalb Russlands abgefeuert worden, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters aus US-Kreisen. Das russische Online-Medium "Basa" berichtete indes über den Verdacht, eine Explosion habe zum Absturz des Flugzeugs geführt. Demnach verfolgen die Ermittler die Theorie, dass ein oder zwei Bomben an Bord des Flugzeuges waren. Das nicht staatliche Magazin hat üblicherweise gute Kontakte in Sicherheitskreise.

Vor dem Wagner-Hauptquartier in St. Petersburg legten Menschen Blumen, Kerzen und Aufnäher mit dem Wagner-Logo nieder. "Es ist, als würde man einen Vater verlieren", sagte ein Mann.

Trauer bei Wagner-Anhängern
Trauer bei Wagner-Anhängern © APA/AFP/STRINGER

In der Ukraine, wo die Wagner-Gruppe lange gekämpft hatte, herrschte hingegen Freude über den mutmaßlichen Tod Prigoschins. "Ich bin wirklich froh darüber, dass diese Person gestorben ist, wenn es stimmt", sagte eine Regierungsmitarbeiterin im Zentrum von Kiew. "Hoffen wir, dass es so ist."

Bis zu einer kurzzeitigen Rebellion vor zwei Monaten gegen die russische Armeeführung hatte die Wagner-Gruppe eine große Rolle für die russische Offensive in der Ukraine gespielt. Zugleich trat Prigoschins Konflikt mit den russischen Militärspitzen offen zutage.

Marsch Richtung Moskau

Am 23. Juni besetzten Wagner-Söldner dann militärische Einrichtungen im Süden Russlands und marschierten anschließend in Richtung Moskau. Die Rebellion richtete sich gegen den russischen Generalstab und Verteidigungsminister Sergei Schoigu, denen Prigoschin Versagen im Ukraine-Konflikt vorwarf.

Den Aufstand blies Prigoschin zwar schon nach einem Tag ab. Mit der kurzzeitigen Rebellion hatte der Wagner-Chef jedoch die Autorität von Staatschef Putin infrage gestellt. Ohne ihn namentlich zu nennen, brandmarkte Putin den Wagner-Chef damals als Verräter. Bis zu dem Aufstand hatte Prigoschin lange als enger Vertrauter Putins gegolten.

In den Wochen nach der Wagner-Rebellion war Prigoschins Schicksal ungewiss. Am vergangenen Montag tauchte er dann in einem von Wagner-nahen Gruppierungen verbreiteten Video auf. Darin berichtete er, sich in Afrika zu befinden. Die Wagner-Gruppe ist auch in mehreren afrikanischen Ländern aktiv.