Sie haben ein Buch über Ihren Vater und über sich selbst geschrieben. Was wollten Sie klären?
ULRIKE LUNACEK: Ich wollte vor allem erzählen. Erzählen von einer Zeit, über die es heute wenig zu lesen, zu hören oder zu sehen gibt: die Zeit zwischen dem Staatsvertrag 1955 und dem EU-Beitritt 1995. Wie sie erlebt wurde. Denn es war eine Zeit des Aufbruchs, von Hoffnung und Optimismus für die meisten, mit dem Ziel „Nie wieder Krieg“. Mehr erfahren wollte ich auch über die Hintergründe, die dazu führten, dass mein Vater 1988 nicht zum Raiffeisen-Generalanwalt gewählt wurde – obwohl er gefragt worden war und einige ihm ihre Stimme zugesagt hatten. Dass es da Ende der 1980er Jahre auch innerhalb der Raiffeisen-Organisation darum ging, dass das Geld, die Banken, wichtiger geworden war als die Ware, die Lagerhäuser, war für mich eine zentrale Erkenntnis. Nach einer weiteren Enttäuschung ging mein Vater schon 1991 mit 63 Jahren in Pension.