1. Worum geht es bei der Ärztekammeraffäre?
Betrug, Untreue und Begünstigung lauten die Vorwürfe, denen die Staatsanwaltschaft Wien nachgeht. Der Vorwurf: In der "Equip4Ordi" (E4O), einer Tochtergesellschaft der Wiener Kurie niedergelassener Ärzte, soll schweres Missmanagement stattgefunden haben.
Ermittelt wird gegen zwei ehemalige Geschäftsführer der E4O und einen Mitarbeiter der Ärztekammer (ÄK). Es gilt die Unschuldsvermutung. Zusätzlich tobt ein politischer Konflikt um Österreichs ÄK-Präsident Johannes Steinhart.
2. Was ist bisher passiert?
Nachdem Erik Randall Huber die Kurie von Steinhart übernommen hatte, ließ er deren Tochterfirmen prüfen. Das Resultat ist eine lange Liste von mutmaßlichen Verfehlungen: Die ehemaligen Geschäftsführer sollen sich am Beirat vorbei hohe Prämien ausgezahlt haben; einem Unternehmen "grundlos" und "ohne ausreichende Sicherheiten" einen Kredit in Millionenhöhe gewährt haben; eine Provisionsvereinbarung mit einem Unternehmen abgeschlossen haben, das einer der Geschäftsführer selbst führte; und ein Scheindienstverhältnis über 35.000 Euro im Jahr laufen haben lassen. Auch, dass einer der Geschäftsführer einen Ordner mit dem Titel "Kammerwünsche" führte, wirft Fragen auf.
Darin findet sich etwa eine Liste von 20 iPhones, die verlost oder hohen ÄK-Funktionären geschenkt worden sein dürften. Der damalige ÄK-Präsident Thomas Szekeres lehnte das Angebot ab, da er kein Handy benötigte, wie er der Kleinen Zeitung erklärt. Es hätte aber den Anschein gemacht, dass auch die E4O die Geräte geschenkt bekommen hatte. Eine Rechnung zeigt jedoch, dass die vorgeblich kostenlosen Handys die E4O rund 20.000 Euro kosteten.
3. Was wird dem Ärztekammerpräsidenten vorgeworfen?
Die Beschuldigten geben an, im Auftrag Steinharts gehandelt zu haben. Das Scheindienstverhältnis sei dessen "politischer Wunsch" gewesen. Außerdem soll er als Kurienobmann Sideletter abgeschlossen haben, durch die der Ex-Geschäftsführer der Holding über der E4O eine geheime und bis 2030 unkündbare Zusatzgage erhielt. Steinhart selbst bestreitet die Vorwürfe. Dass Softwarelizenzen als Wahlkampfgeschenke verteilt worden sein könnten, sei "reine Erfindung", betont Steinhart.
4. Was passiert bei der Sitzung heute?
Die Mitglieder der "Vereinigung" müssen sich am heutigen Donnerstag für oder gegen Steinhart entscheiden: Der Finanzreferent der Wiener Ärztekammer, Frédéric Tömböl, fordert bei einer Vollversammlung Steinhart als Obmann der ÖVP-nahen Fraktion heraus. Grund dafür ist dessen Umgang mit den Folgen des E4O-Skandals.
5. Bleibt Steinhart Präsident?
Wenn es nach ihm geht, ja. Steinhart hat sich am Montag an die Mitglieder der "Vereinigung" gewandt und die Vorwürfe einmal mehr zurückgewiesen. Er sieht neben der Staatsanwaltschaft die Wiener Magistratsabteilung (MA) 40 am Zug und geht davon aus, dass "ihre Untersuchungen Klarheit schaffen und Unterstellungen und Vorverurteilungen die Grundlage entziehen werden".
Die MA 40 prüft als Aufsichtsbehörde laut "Dossier" zurzeit, ob der Präsident der Wiener Ärztekammer noch handlungsfähig ist. Eine Absetzung wäre politisch heikel: Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) müsste den erst kürzlich gewählten ÖVP-nahen Ärztekammerpräsidenten des Amtes entheben. Wie es dann weiterginge, ist offen. Steinharts Vorgänger Szekeres stünde "unter diesen Rahmenbedingungen" nicht als Präsident zur Verfügung.
Maximilian Miller