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Mit der "Landarztquote" hat Deutschland ein bereits europarechtskonformes Modell in Umsetzung, das einen vorrangigen Zugang zum Medizinstudium für jene Nachwuchsärzt:innen schafft, die sich verpflichten wollen, nach der Ausbildung für eine bestimmte Zeit (Vorschlag zehn Jahre) als Kassenärzt:in, in Ambulanzen, Primärversorgungszentren oder in öffentlichen Spitälern zu arbeiten. Diese rechtlich korrekte Regelung könnte auch für Österreich gut übernommen werden. Mit dieser Maßnahme könnte die geforderte Ausweitung auf 3000 Studienplätze zielgerichtet umgesetzt werden. So bekommen wir genau die Ärzt:innen, die wir im System brauchen. Mit adaptierten Aufnahmekriterien, in Verbindung mit einem verbesserten Aufnahmetest, der etwa mehr auf soziale Kompetenzen abstellt, könnte ein großer Teil der Studienplätze an Student:innen vergeben werden, die sich freiwillig verpflichten. Die Restplätze werden auf Student:innen verteilt, die sich nicht sicher sind, ob sie an einer guten Versorgung für alle mithelfen wollen.

Als schneller wirksame Notlösung hat die ÖGK nun 50 Stipendien ausgeschrieben, auf die sich 60 Studierende beworben haben. Auch hier müssen sich die Empfänger:innen verpflichten, nach der Ausbildung in einer Kassenordination zu arbeiten. Grundsätzlich ist natürlich jede Maßnahme zu begrüßen, die eine Stärkung des öffentlichen Gesundheitssystems im Sinn hat, denn in Österreich führt der deregulierte Privatmedizin-Markt zu immer mehr Problemen, Ungerechtigkeiten und Korruptionsgefahr. In keinem anderen Land ist die Verquickung von öffentlicher Versorgung und gewinnorientierter Privatmedizin so stark ausgeprägt. Eine generelle Verpflichtung für ausgebildete Ärzt:innen im öffentlichen System tätig zu sein ist wohl nicht umsetzbar. Verfassungsexperte Karl Stöger hat massive Bedenken angemeldet, weil man niemanden verpflichten kann, einen erlernten Beruf sein Leben lang auszuüben. Worauf wir uns konzentrieren sollten, ist die Stärkung der guten wohnortnahen hausärztlichen Versorgung.

Dringender Handlungsbedarf ist gegeben, denn wir haben die absurde Situation, dass Österreich die höchste Ärzt:innen-Dichte Europas hat, es für die jährlich 1800 Medizinstudienplätze zehnmal so viele Bewerber:innen gibt, die nicht aufgenommen werden, und gleichzeitig hat das öffentliche Gesundheitssystem Probleme, den Personalbedarf zu decken. In den Krankenhäusern ist die Besetzungsproblematik noch größer als in Ordinationen. Die Steuerzahler:innen investieren zwischen 400.000 und 600.000 Euro für die Ausbildung einer Ärzt:in. Dafür müssen sie sich im Gegenzug erwarten können, dass sie ein Versorgungssystem bekommen, in dem alle Menschen gleichermaßen gute Leistungen aus dieser bekommen.

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Unser Gesundheitssystem ist sehr gut. Doch wir haben mit einigen Herausforderungen zu kämpfen, um auch in Zukunft die Patienten so zu versorgen, wie wir es gerne würden: ohne Zeitmangel, ohne Druck und dort, wo sie am besten aufgehoben sind – entweder im Spital oder in der Niederlassung. Wir wollen keine unzumutbaren Wartezeiten in Ambulanzen, keine Massenabfertigungen und möchten auch keine Patienten ablehnen müssen, weil wir in den Ordinationen überlastet sind.

Wir haben derzeit zu wenig Kassenärzte, um die 300 Kassenstellen sind unbesetzt, davon betroffen ist vor allem der Bereich der Allgemeinmedizin, gefolgt von der Kinder- und Jugendheilkunde und der Gynäkologie. Nun ist es lobenswert, dass der Bundeskanzler erkannt hat, wo es im Gesundheitssystem schwächelt und 800 Kassenarztstellen zusätzlich in Aussicht stellt. Das ist eine gute Idee. Zu bedenken gilt aber: Mit welchen Ärztinnen und Ärzten werden zusätzliche 800 Kassenstellen besetzt, wenn jetzt schon 300 Kassenstellen unbesetzt sind? Die Antwort darauf kann nicht sein, dass man Medizinstudierende nach Abschluss ihres Studiums verpflichtet, als dann fertige Ärzte in Österreich – und das vor allem als Kassenärzte – tätig zu sein. Das wird nicht funktionieren. Wir haben genügend Medizinabsolventen. Aber man darf nicht vergessen, dass wir in einem Wettbewerb mit anderen Ländern stehen, die mit attraktiven Angeboten locken.

Es sollte in der Diskussion um die Patientenversorgung nicht um Zwänge und Verpflichtungen gehen, sondern um Verbesserungen der Rahmenbedingungen, damit ausgezeichnet ausgebildete Ärztinnen und Ärzte auch gerne in Österreich arbeiten. Der Grund, warum wir unter Kassenärztemangel leiden, ist nicht der, dass uns die Köpfe fehlen – nein, es ist der, dass viele Ärztinnen und Ärzte nicht Vertragsarzt werden wollen. Und daran wird auch eine gesetzliche Verpflichtung zum ärztlichen Tätigwerden nichts ändern. Die Stärkung der wohnortnahen Versorgung kann durch eine Mischung aus Maßnahmen erreicht werden: Zuerst einmal muss die ärztliche Ausbildung im Spital qualitativ so hochwertig sein, dass sie mit dem konkurrierenden Ausland mithalten kann. Zusätzlich können Landarztstipendien, mehr Hausapotheken, mehr Flexibilität bei Kassenverträgen, zeitgemäße Honorierung und flexible Kassenverträge bei Arbeitszeiten helfen, Ärztinnen und Ärzte für die öffentliche Gesundheit zu begeistern. Zudem sollte beispielsweise auch die Kombination aus einer Anstellung im Spital und einer kassenärztlichen Tätigkeit ermöglicht werden.

Wir brauchen weder Druck noch Zwang, sondern Zug: Der Arztberuf muss attraktive Möglichkeiten bieten, damit wir in Österreich auch in Zukunft die Patienten optimal versorgen, behandeln können.