Hand aufs Herz: Glauben Sie, dass Sie im jetzigen Pensionssystem eine Pension erhalten?
Julian Christian (JVP, 25): Ja.
Sabrina Prochaska (Pfadfinder, 24): (Pause) Ich denke, die Regierung ist aufgefordert, die politischen Zahnräder so zu stellen, dass auch wir eine gesicherte Zukunft haben.
Christian: Ich glaube, man darf den Glauben nicht aufgeben. Wir stellen den Anspruch darauf, dass wir den Generationenvertrag auf unserer Seite erfüllen und in die Kassen einzahlen. Wir werden später auch einfordern, dass wir unser Stück vom Kuchen bekommen. Ich persönlich glaube auch daran, dass ich auch eine Pension erhalten werde. Wenn man diesen Glauben nicht hat, würde man einseitig beginnen, diesen Generationenvertrag aufzukündigen. Dazu sind wir absolut nicht bereit.
Genau das passiert doch: Während früher der Jugend Optimismus und sogar eine gewisse Naivität nachgesagt wurde, blicken junge Menschen heute deutlich pessimistischer in die Zukunft. Sind ihre Sorgen berechtigt?
Prochaska: Wir leben in einer Zeit multipler Krisen. Wir hatten die Coronapandemie, wir haben den Ukraine-Krieg vor der Haustüre und jetzt kommt die Teuerung noch dazu. Das stimmt junge Menschen nicht unbedingt positiv. Da müsste die Regierung junge Menschen mitreden lassen und sagen: "Schauen wir, wo es brennt. Schauen wir, wie wir das gemeinsam lösen können." Sowohl jung als auch alt, alle müssen einbezogen werden, damit wir gemeinsam eine gute Zukunft sehen und schaffen können.
Auch abseits der akuten Krisen sorgen sich junge Menschen, dass sie kaum Vermögen aufbauen und auf den Generationenvertrag nur hoffen können.
Christian: Man kann das aber nicht getrennt von den Krisen sehen, die viel ändern an der Systematik unseres Zusammenlebens. Einer der großen Punkte, den wir sehen, ist der demografische Wandel. Es gibt immer weniger junge Menschen und immer mehr Grauhaarige in diesem Land. Das ist überall in der westlichen Welt so. Aber genau deshalb muss man der jungen Generation umso mehr zuhören und sie umso mehr einbinden.
Auf der anderen Seite sorgt der demografische Wandel dafür, dass sich junge Menschen ihre Jobs fast aussuchen können werden. Steht ihnen ein goldenes Zeitalter am Arbeitsmarkt bevor?
Christian: Die allgemeine wirtschaftliche Lage ist natürlich fatal. Aber für junge Menschen, die in den Arbeitsmarkt einsteigen, ist sie aktuell gut. Gerade jetzt, wo ein Fachkräftemangel herrscht, haben sie den Anspruch zu sagen: Ich arbeite – aber zu welchen Bedingungen? Was bedeutet das für mein Leben und meine Freizeit? Zu welcher Entlohnung mache ich das? Mache ich das zu einem fairen Dienstverhältnis?
Wir als junge Generation nehmen es uns zunehmend heraus, zu sagen: Zu diesen Bedingungen mache ich den Job und zu diesen Bedingungen nicht. Ich glaube, das ist auch der richtige Zugang. Die Pensionierungswellen und die aktuellen Debatten zeigen uns ganz klar: Wir haben für diesen Markt einen Wert.
Wer selbst sein Leben lang Vollzeit gearbeitet und zu schwierigen Bedingungen arbeiten musste, fragt sich vielleicht: Was soll das?
Christian: Wer eine gesamte Generation pauschal der Faulheit bezichtigt, der ist grundsätzlich wahrscheinlich kein ernstzunehmender Gesprächspartner. Aber was sich zeigt, ist: Die Zahl der Menschen in Beschäftigung steigt, aber die gearbeiteten Stunden werden langsam weniger. Das ist einfach der Wandel der Zeit.
Ich glaube, dass wir uns als Generation sicher nicht den Vorwurf der Faulheit gefallen lassen sollten. Nur, weil wir im Schnitt unsere Arbeitszeit um zwei Stunden verkürzt haben im Vergleich zu noch vor zehn Jahren, heißt das nicht, dass wir in diesen zwei Stunden mehr am Sofa liegen.
Wenn es nicht um die Zeit am Sofa geht: Warum wollen junge Menschen heute weniger arbeiten?
Prochaska: Wir sehen, dass junge Menschen einfach mehr machen wollen als nur arbeiten. Diese klar strukturierte Vorgehensweise, wie es bei vorigen Generationen üblich war, mit Ausbildung, Arbeiten, Pension ist für junge Menschen nicht mehr so attraktiv. Wir wollen einfach, dass auch Freizeit, Familie, Freunde und ehrenamtliches Engagement noch Platz finden. Und dadurch wandelt sich, wo und wie man arbeiten will. Da müssen Arbeitsmarkt, Regierung und Politik auch nachziehen.
Warum fordern junge Menschen heute ihre Freizeit stärker ein als vorangegangene Generationen?
Christian: Unsere Elterngeneration hatte noch das Idealbild vom Haus im Grünen, Familie und ein Auto. Wenn ich weiß, dass ich mir dieses Eigenheim im Grünen nicht mehr leisten kann – auch nicht, wenn ich Vollzeit arbeiten gehe – muss ich mir anschauen, was meine Prioritäten im Leben sind. Natürlich verändern sich Ideale in einer Gesellschaft, wenn die Ideale der Vorgängergenerationen so nicht mehr weiter tragbar sind.
Prochaska: Jeder zweite junge Mensch ist ehrenamtlich engagiert. Da muss auch ein bisschen an den Rädchen gedreht werden. Ob das jetzt eine sechste Urlaubswoche ist oder ein anderes Abkommen. Das würde junge Menschen schon entlasten.
Christian: Arbeit besteht nicht nur aus der Arbeit, wo ich im Büro sitze oder im Betrieb stehe. Es gibt sehr wohl auch Arbeit, die man unentgeltlich verrichtet oder Arbeit, die man an seinen Angehörigen verrichtet. Dass jungen Menschen ihr soziales Umfeld zunehmend wichtig wird, ist in Wahrheit ein gutes Zeichen. Das fördert eine starke Gesellschaft.
Irgendjemand muss den Sozialstaat finanzieren, hat Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) erst diese Woche in der ZIB2 angemerkt. Brechen junge Menschen nicht den Generationenvertrag, wenn sie alle Teilzeit arbeiten?
Christian: Es braucht sicherlich politische Modelle, wie man das in den Griff bekommt. Wir hoffen als Generation, dass die langfristige Perspektive die Digitalisierung ist. Die wird ohnehin einige Arbeitsschritte und vor allem schlecht bezahlte Arbeiten aus dem Arbeitsmarkt rausdrängen. Das alles ist Zukunftsmusik und da setzen wir auch auf die Hoffnung des Wandels unserer Zeit.
Prochaska: Und Teilzeit-Beschäftigungen sind nicht immer freiwillig. Es gibt nicht überall jederzeit eine Kinderbetreuung. Gerade im ländlichen Bereich haben Personen oft gar keine Wahl, sondern müssen in Teilzeit gehen, weil sie die Kinder nirgendwo in Betreuung abgeben können.
Sie haben letztes Jahr die Forderung nach mehr Klima-Bildung eingebracht. Gibt es mit den neuen Lehrplänen einen ausreichenden Fokus darauf?
Prochaska: Ich glaube, Klima-Bildung kann nie genug sein. Wir befinden uns in einer Klima-Krise und dahingehend müssen die Kinder und Jugendlichen informiert werden, weil die Eltern diese Klima-Bildung in den Schulen auch nie erfahren haben oder es sehr stark von den Lehrkräften abhängt.
Eine große Bildungsreform steht nicht im Regierungsprogramm. Wäre eine solche aus Sicht der BJV notwendig?
Prochaska: Es gibt immer was zum Reformieren. Unsere Lehrpläne sind nicht alle am neuesten Stand. Trotzdem glaube ich, dass es vielmehr regelmäßigere Überarbeitungen braucht, weil sich so viel ändert. Wenn man etwa an die Medienbildung denkt: Das war vor zehn, zwanzig Jahren noch kein so großes Thema.
Was unterscheidet den Medienkonsum junger Menschen von dem anderer Generationen?
Christian: Wir sehen ganz klar, dass junge Menschen als wichtigste Informationsquelle heutzutage das Internet verwenden. Bei jungen Frauen liegt dabei Social Media sogar noch vor dem Fernsehen. Die linearen Programme und die Printzeitungen werden immer weiter aus dem Alltag verdrängt. Das ist der Wandel der Zeit, der als Erstes bei den jungen Menschen angekommen ist.
Deshalb braucht es natürlich mehr Medienbildung: Wie gehe ich mit Fake News um? Wie gehe ich mit Inhalten um, die ich nicht überprüfen kann – und die niemand für mich überprüft hat? Das Vertrauen junger Menschen in die Medien ist laut Jugend-Wertstudie eigentlich katastrophal: 64 Prozent der jungen Menschen vertrauen den Medien nicht mehr.
Wie holt man junge Menschen ab, die Medien misstrauen und zu alt sind, um in den Schulen Medienbildung zu erhalten?
Prochaska: Ich glaube, sehr viel kann man auch in der außerschulischen, offenen Kinder- und Jugendarbeit abfangen.
Christian: Und junge Menschen, die sich in Vereinen oder im Ehrenamt engagieren, haben ein höheres Vertrauen in unsere Demokratie und unsere Institutionen. Ich glaube, dass das bei den Medien nicht anders sein wird.
Der ORF soll künftig von allen Haushalten finanziert werden. Die BJV lehnt das ab. Warum?
Christian: 69 Prozent der jungen Menschen verwenden als Haupt-Informationsquelle das Internet, Social Media wird immer dominanter. Die Bereitschaft junger Menschen, für ein hauptsächlich lineares Programm zu bezahlen, ist einfach nicht da. Und das Schließen der Streaming-Lücke und das Aufteilen der finanziellen Last auf alle gleichermaßen ist, wenn wir uns die Lebensverdienstkurve anschauen, schlichtweg unfair. Die Haushaltsabgabe ist de facto eine Jugendsteuer. Das ist keine Kritik am öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF, das ist eine Kritik am Finanzierungsmodell. Wir finden es unfair, dass die, die am wenigsten haben, trotzdem dafür bezahlen sollen.
Also fordern Sie einen Jugend-Rabatt?
Christian: Wir können uns vorstellen, dass die Haushaltsabgabe beispielsweise an den Bezug der Familienbeihilfe gekoppelt für junge Menschen bis 25 entfallen kann.
Die BJV warnt auch vor prekärer Beschäftigung junger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ORF.
Christian: Es ist im österreichischen Arbeitsrecht illegal, Menschen in Kettenverträgen zu beschäftigen. Nur der ORF hat eine Sonderregelung. Auf der einen Seite bildet der ORF für den Generaldirektor Millionen an Pensionsrückstellungen. Auf der anderen Seite können sich junge Menschen in Kettenverträgen das Arbeiten für Ö 1 kaum leisten. Das ist schon ein krasses Missverhältnis zugunsten der Älteren im ORF. Und das ist auch eine Debatte, die man führen muss: Wenn alle für den ORF zahlen müssen, müssen auch die Bedingungen für junge Journalistinnen und Journalisten wesentlich besser werden.
Der Klimajugendrat hat letzte Woche Bewegung im Kampf gegen die Klima-Krise gefordert. Was muss konkret passieren?
Prochaska: Es muss sich jetzt etwas tun. Wir sind schon im Verzug. Wir können es aber noch schaffen. Es ist die Lebensgrundlage, auf der wir junge Menschen aufbauen. Konkret muss beispielsweise das Klimaschutzgesetz endlich auf Schiene gebracht werden. Da muss auch mit Emissionsreduktionspfaden und echten Regeln gearbeitet werden. Ansonsten werden wir das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr schaffen können. Auch bei der Energiewende brauchen wir einfach einen Ausbau von erneuerbaren Energieformen. Wenn wir weiterdenken an die Bodenversiegelung: Auch hier muss es einfach strengere Regelungen geben.
Wir brauchen eine jugendlichere Raumplanung: Ein großes Thema ist etwa der öffentliche Verkehr. Wir brauchen nicht nur den Ausbau, es muss auch so günstig sein, dass es für junge Menschen leistbar ist. Gerade in ländlichen Bereichen ist oft das Problem, dass man gar nicht öffentlich zum Zug kommt. Und wenn ich schon ein Klimaticket habe, will ich nicht für das Sammeltaxi zum Bahnhof zahlen müssen.
Der Klimajugendrat der BJV hat kritisiert, dass die Politik zu langsam agiert, weil sie zu stark auf die Wirtschaft und "gewisse Wählergruppen" hört. Wer sind diese gewissen Wählergruppen?
Prochaska: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unseres Klimajugendrats haben vor allem mehr Mut und Tempo von der Politik eingefordert. Derzeit werden die Interessen von Kindern und Jugendlichen in der Klimapolitik zu wenig berücksichtigt – vor allem von denjenigen, die noch nicht wahlberechtigt sind. Dennoch sind sie die Altersgruppe, die am meisten von den heutigen Entscheidungen betroffen sein wird. Junge Menschen erwarten sich, dass die Politik weniger auf die nächsten Wahlen schielt, sondern sich auch unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen traut, die für die Lösung der Klimakrise entscheidend sind.
Was würden Sie einer jungen Person ausrichten, die sagt: Ich mache mir Sorgen um meine Zukunft?
Christian: Tu was! Engagier dich! Geh raus und mach was draus. Am Ende des Tages ist durch Sudern allein noch nichts besser geworden. Jeder, der in dem Land etwas verändern möchte, ist auch dazu aufgerufen, sich zu engagieren. Sei es in der Gemeinde, in der eigenen Region oder in einer Organisation. Ich glaube, dass es auch der Anspruch unserer Generation ist, etwas weiterzubringen und nicht nur pessimistisch zu sein.
Prochaska: Ich würde noch ergänzen: Das Ganze mutig, bunt und laut angehen. Junge Menschen dürfen mutiger sein. Bunt, weil wir einfach eine diverse Gesellschaft sind. Und laut, weil jeder seinen Teil dazu beitragen kann. Dann wird sich etwas tun, wir werden das gemeinsam schaffen und in eine gute Zukunft blicken können.
Maximilian Miller