Fast eine Stunde kurvte der Militärhubschrauber sowjetischer Bauart durch die bulgarische Hügellandschaft in Richtung Osten, ehe er plötzlich eine scharfe Linkskurve hinlegte. Eine Bordtechnikerin, die mit einem langen Kabel mit den beiden Piloten verbunden war, erhob sich und öffnete zur Überraschung der mitfliegenden Journalisten zwei Fenster, die die Form von Bullaugen haben. Die Kameraleute griffen zu ihrem Gerät und hielten das Objekt ins Freie hinaus.

Gut eine halbe Stunde lang ging es im Tiefflug entlang des bulgarischen Grenzzauns zur Türkei quer durch die Landschaft. Aus der Luft betrachtet wirkt der Zaun wie neu und relativ robust, von Rost oder aufgeschnittenem Maschendraht keine Spur. Auf jedem zweiten kleineren Hügel standen Geländefahrzeuge der Grenzpolizei, die, wie sich später herausstelle, mit modernen Nachtsichtgeräten und Wärmebildkameras ausgestattet ist.

In einem weiteren Hubschrauber saßen Bundeskanzler Karl Nehammer sowie Innenminister Gerhard Karner – begleitet vom bulgarischen Staatspräsidenten Rumen Radev. Wie Nehammer und Karner auf den Lokalaugenschein aus der Luft reagiert haben, ist unklar. Die Bulgaren wollten ganz offenkundig den Österreichern sowie den mitgereisten Journalisten vor Augen führen, dass Sofia die EU-Außengrenzen zur Türkei ohnehin zeitgemäß und mit Barrieren bewacht. Von den 281 Kilometern sind 236 Kilometer mit einem Zaun geschützt, 80 Kilometer sogar durch einen doppelten Zaun.

Veto aus Sicht Bulgariens "nicht fair"

Bei der Pressekonferenz in der Grenzschutzzentrale in Elhovo überwogen zunächst die Freundlichkeiten zwischen Radev und Nehammer. Der Kanzler hatte den Staatspräsidenten erst zu Jahresbeginn beim Neujahrskonzert als Ehrengast willkommen geheißen. "Ich verstehe, dass dem Kanzler die Sicherheit und das Wohl der eigenen Bevölkerung ein großes Anliegen ist", erklärte Radev, um allerdings hinzuzufügen: "Es ist nicht fair, dass Bulgarien und Rumänien von der Schengenzone ausgeschlossen werden. Wir beweisen täglich, dass wir die EU-Außengrenze besser schützen als so mancher Schengenstaat." Worauf Radev anspielte, lag auf der Hand: auf Ungarn, dass trotz Zauns im letzten Jahr 100.000 Migranten nach Österreich gezogen sind.

Der Kanzler selbst versuchte einmal, mehr deutlich zu machen, dass das österreichische Veto gegen den Schengenbeitritt von Bulgarien und Rumänien nicht gegen die beiden betroffenen Länder, sondern gegen die Kommission in Brüssel gerichtet sei, die beim Schutz der EU-Außengrenze endlich in die Gänge kommen müsse. "Es liegt an der Kommission, zu handeln", betonte Nehammer. "Bulgarien kann es nicht allein schaffen." Bulgarien benötige zwei Milliarden Euro, um wirksam seine Grenze zu schützen. Brüssel müsse Geld in die Hand nehmen, rasche Verfahren beschließen und einige rechtliche Änderungen vornehmen.

Bei seinem eintägigen Besuch in Bulgarien dämpfte der Kanzler die Erwartungen auf eine baldige Aufhebung des Vetos. Wenige Tage nach den niederösterreichischen Landtagswahlen kommen die Staats- und Regierungschefs zu einem Sondergipfel zum Thema Migration in Brüssel zusammen. "Da steht die Migration auf der Tagesordnung, nicht Schengen." Was Bulgarien aus eigenem Antrieb unternehmen könne, um sich für Schengen zu qualifizieren, diese Antwort blieb der Kanzler jedoch schuldig.