Es ist ein unwahrscheinliches Duo, das gerade die Weichen für die wichtigste medienpolitische Entscheidung des Jahrzehnts stellt: Kanzleramtsministerin Susanne Raab (ÖVP) und die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger könnten unterschiedlicher kaum sein – und trotzdem müssen sie federführend in den nächsten Monaten eine Reform vorlegen, deren Ergebnisse fast jeder Haushalt in Österreich unmittelbar auf seinem Konto spüren wird.
Bis Ende dieses Jahres muss feststehen, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich in Zukunft finanziert wird. Ginge es allein nach türkis und grün, wäre es bei der bisherigen Gebührenfinanzierung geblieben. Derzeit zahlt ja jeder Haushalt mit einem TV-Gerät im Jahr von 270 Euro (in Oberösterreich und Vorarlberg) bis zu 340 Euro in der Steiermark – je nachdem wie viel Aufschlag die Bundesländer sich aus der Gebühr in ihr Budget holen. Von den rund 934 Millionen Euro, die die GIS so einhebt, bekommt der ORF etwa 643 Millionen, der Rest fließt an Bund und Länder.
Höchstrichter erzwingen Reform
Diesem seit Jahrzehnten etablierten Modell hat jetzt der Verfassungsgerichtshof den Garaus gemacht. Weil das Gebührengesetz nur auf den Besitz von „Rundfunkempfangseinrichtungen“ abstellt, bleibt der wachsende Anteil der Streaming-Kunden, die ORF-Programme ausschließlich über das Internet konsumieren, außen vor – was wiederum gegen das ORF-Verfassungsgesetz verstoße, entschied das Höchstgericht vergangenen Sommer.
Die Folge: Die dahingehend bisher eher unambitionierten Koalitionäre müssen jetzt ein neues Finanzierungsmodell für das größte Medienhaus der Republik aus dem Boden stampfen. Die Varianten reichen von einer überarbeiteten „GIS plus“ über eine an das deutsche Modell angelehnten „Haushaltsabgabe“ bis zur Finanzierung direkt aus dem Bundesbudget, alle haben Für und Wider.
Es muss aber recht schnell gehen – denn auch wenn der VfGH eine Neuregelung erst mit 1. 1. 2024 verlangt, braucht der ORF mit seinen rund 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie langfristigen Produktions- und Lizenzverträgen eine Vorlaufzeit von zumindest einem halben Jahr, um sich auf ein eventuell kleineres Budget einzustellen – von Bundesländern, die dann mit einem um die GIS-Einnahmen reduzierten Budget auskommen müssten, ganz zu schweigen. Kein Wunder also, dass der erst im Vorjahr angetretene ORF-General Roland Weißmann sich Klarheit schon im ersten Quartal 2023 wünscht.
Zähe Verhandlerinnen
Die vergangenen Wochen und Monate waren dabei geprägt von Verhandlungen im stillen Kämmerchen und öffentlichen Ansagen Blimlingers. Einmal verlautete die 61-jährige Abgeordnete, eine „GIS plus“ wäre wohl nicht möglich, ein anderes Mal, eine – von den Grünen lange abgelehnte – Finanzierung aus dem Budget sei „vorstellbar“.
An sich kommt die studierte Philologin aus einer anderen Ecke als der Medienpolitik: Blimlinger war von 2011 bis 2019 Rektorin der Akademie der bildenden Künste in Wien, die letzten Jahre davon auch Vorsitzende der Universitätenkonferenz. Allerdings hatte sie die Grünen elf Jahre lang im ORF-Publikumsrat vertreten.
Die eigentlich zuständige Medienministerin auf der Gegenseite hatte sich dagegen lange in Schweigen gehüllt. Erst diese Woche ging Raab in einem Interview mit der Austria Presse Agentur in die Offensive und deutete an, dass der ORF in Zukunft weniger Mittel zur Verfügung haben könnte: „Auch das Geld für den ORF wächst nicht auf den Bäumen. Es wird von hart arbeitenden Gebührenzahlerinnen und -zahlern erwirtschaftet. Eine automatische jährliche Steigerung des Budgets für den ORF ist nicht in meinem Sinne“.
Zuständig ist Raab für Medienpolitik erst seit knapp einem Jahr: Der ehemalige Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte die Agenden bei sich selbst bzw. engen Mitarbeitern behalten. Erst sein Nachfolger Karl Nehammer übertrug das Gebiet an die ehemalige Integrationsbeamtin, die gleichzeitig auch für Frauen, Familien und Integration zuständig ist.
Allein werden Raab und Blimlinger die ORF-Finanzierung und andere Medienfragen aber nicht klären. Schlüsselrollen spielen neben ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger auch die Klubobleute August Wöginger und Sigrid Maurer.
Georg Renner