Die wegen Korruptionsvorwürfen festgenommene EU-Abgeordnete Eva Kaili ist als Vizeparlamentspräsidentin des Europäischen Parlaments suspendiert worden. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola entzog der 44-Jährigen "mit sofortiger Wirkung alle Befugnisse, Pflichten und Aufgaben" als ihre Stellvertreterin, wie eine Sprecherin Metsolas am Samstagabend mitteilte. Kaili und vier weitere Verdächtige waren am Freitag in Brüssel im EU-Parlament festgenommen worden.
Bestechung, Geldwäsche
Hintergrund sind Ermittlungen zu mutmaßlicher Bestechung und Bestechlichkeit, Geldwäsche und versuchter Einflussnahme auf politische Entscheidungen durch das Emirat Katar, den Gastgeber der laufenden Fußball-WM. Dem Parlament, das sich gern als Vorreiter im Kampf gegen Korruption sieht, droht ein ungeheurer Image-Schaden. Seit Monaten schon verdächtigen belgische Ermittler nach Angaben der zuständigen Staatsanwaltschaft einen Golfstaat, die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen der Europäischen Union beeinflussen zu wollen. Nach Medien-Informationen handelt es sich dabei um Katar. Die Rede ist von erheblichen Geldsummen und Sachgeschenken an Personen, die eine politische oder strategische Position in dem Parlament mit mehr als 700 Abgeordneten innehätten.
Durchsuchungen und Festnahmen
Am Freitag schlug die Staatsanwaltschaft dann zu: Zunächst gab es 16 Durchsuchungen und vier Festnahmen. Am Abend wurde dann auch Kaili festgenommen, eine von 14 Vizepräsidentinnen und -präsidenten des Parlaments. Die ehemalige TV-Moderatorin ist mittlerweile zum Gesicht des Skandals geworden. Die 44-Jährige wurde für die PASOK-KINAL-Partei ins Parlament gewählt, die zur sozialdemokratischen Fraktion gehört.
Sie wurde aber umgehend aus PASOK-KINAL ausgeschlossen. Seitens der griechischen Sozialdemokraten hieß es, es gebe in der Partei "keine Toleranz" für Korruption. "Wir sind in einem solchen Fall kompromisslos", erklärte PASOK-KINAL-Sprecher Dimitris Mantzos. In der Partei werde auch "Druck ausgeübt, damit Frau Kaili ihren EU-Parlamentssitz abgibt."
"Unüberbrückbare Differenzen"
Mantzos sprach von "wichtigen und unüberbrückbaren Differenzen", zwischen Kaili und PASOK-KINAL. Diese würden "ihre Positionen und die von ihr vertretenen Werte" betreffen. Daher sei Parteichef Nikos Androulakis bereits vor Monaten auf Distanz zu Kaili gegangen. Androulakis hatte die EU-Abgeordnete bereits zu einem früheren Zeitpunkt einmal als "Trojanisches Pferd" der griechischen Regierungspartei ND (Nea Dimokratia) bezeichnet.
Ebenfalls unter den Festgenommenen ist nach dpa-Informationen ihr Lebensgefährte, der im Parlament als politischer Berater tätig ist. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurde auch ein ehemaliger Europaabgeordneter festgenommen sowie am Abend der italienischen Nachrichtenagentur ANSA zufolge auch dessen Frau und Tochter. Mit Ausnahme von Kaili haben alle Verdächtigen die italienische Staatsangehörigkeit. Bei Durchsuchungen in Belgien wurden 600.000 Euro Bargeld und Handys beschlagnahmt. Laut griechischen Medien soll auch der Vater Kailis dabei entdeckt worden sein, wie er sich mit einer Aktentasche voller Geld aus dem Staub machen wollte.
Katar und Bestechung
Katar und Bestechung - da war doch was? Der Ausrichter der laufenden Fußball-WM steht seit Jahren wegen der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter in der Kritik. Zahlreiche Mitglieder des damaligen FIFA-Exekutivkomitees, das 2010 die WM nach Katar vergeben hatte, sind inzwischen der Korruption überführt. Katar selbst hat den Vorwurf der Bestechung jedoch stets bestritten.
Auch das Europaparlament kritisierte die WM-Vergabe an den Wüstenstaat vor gerade mal zwei Wochen und verwies auf "glaubwürdige Vorwürfe der Bestechung und Korruption". Anders äußerte sich damals Parlamentsvize Kaili. Vor dem Parlament bezeichnete sie Katar als Vorreiter bei Arbeitsrechten. Die WM sei Beweis dafür, "dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben".
Hämische Kommentare
Die Häme angesichts der Ermittlungen, die von der Zeitung "Le Soir" und dem Magazin "Knack" aufgedeckt worden waren, ließ nicht lange auf sich warten. Ungarns Regierungssprecher Zoltan Kovacs schrieb auf Twitter, er freue sich auf die Tweets von Europaabgeordneten, die sich regelmäßig deutlich gegen Korruption positionierten. "Aber zu der großen Korruptionsuntersuchung, in die Europaabgeordnete verwickelt sind (...), hatten sie nichts zu sagen. Null." Das Europaparlament dringt wegen Korruptionsvorwürfen immer wieder auf ein konsequentes Vorgehen gegen Ungarn.
Ob sich die Vorwürfe erhärten, dürfte sich schon bald zeigen. An diesem Sonntag will die belgische Justiz darüber entscheiden, ob die fünf im Gefängnis bleiben.