Die EU-Finanzminister haben am Dienstag in Brüssel keine Entscheidung über die Milliarden-Kürzung von Finanzmittel für Ungarn getroffen. Der tschechische Ratsvorsitz hatte laut Österreichs Finanzministerium die Debatte darüber von der Tagesordnung gestrichen. Grund: Ungarn habe signalisiert, dass es keine Zustimmung zur Finanzhilfe für die Ukraine sowie zur globalen Mindeststeuer geben werde. Nun soll die EU-Kommission Ungarns Reformen zur Rechtsstaatlichkeit neu prüfen.

"Wir haben heute die Europäische Kommission noch einmal gebeten, die aktuellen Entwicklungen in Ungarn zu bewerten", sagte der deutsche Finanzminister Christian Lindner nach einem Treffen mit seinen EU-Kollegen in Brüssel. In der ungarischen Politik habe es noch Entwicklungen gegeben, nachdem die Kommission ihren Bericht vorgelegt habe. Der aktuelle Bericht umfasste nur Maßnahmen bis zum 19. November.

Auch aus dem Finanzministerium hatte es zuvor geheißen, der EU-Ratsvorsitz habe die EU-Kommission "aufgefordert, in den nächsten Tagen eine aktualisierte Bewertung zu den ungarischen Reformen im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit vorzunehmen". Die Brüsseler Behörde scheint dem jedoch skeptisch gegenüberzustehen: "Wir glauben, dass der Ministerrat alle Elemente hat, um eine Entscheidung zu treffen", sagte ein Sprecher im Vorfeld.

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hatte sich vor dem Treffen abwartend gezeigt. Gleichzeitig betonte er, die Rechtsstaatlichkeit sei nicht zu diskutieren, sie "ist ein Grundpfeiler der Europäischen Union", so Brunner. Steuergeld müsse "korrekt" verwendet werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt würde seinen Angaben nach Österreich der Beurteilung der EU-Kommission folgen.

Corona-Hilfen an Bedingungen geknüpft?

Die EU-Kommission hat vergangene Woche empfohlen, Corona-Hilfen und andere Fördermittel für Budapest erst freizugeben, wenn die rechtsnationale Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán Versprechen zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit umsetzt. Insgesamt geht es um etwa 13,3 Milliarden Euro. Nun müssen die EU-Staaten über diese Empfehlung entscheiden.

Bei den Vorschlägen der EU-Kommission geht es um rund 7,5 Milliarden Euro aus dem Gemeinschaftsbudget, die eingefroren werden sollen. Zudem sollen Corona-Hilfen über 5,8 Milliarden Euro nur dann ausgezahlt werden, wenn Budapest bestimmte Meilensteine im Bereich Rechtsstaatlichkeit erreicht hat. Die EU-Kommission wirft Ungarn seit Jahren vor, EU-Standards und Grundwerte zu untergraben.

Die Behörde befand, dass Ungarn zwar eine Reihe von Reformen durchgeführt habe, aber zentrale Aspekte nicht angemessen umgesetzt worden seien. Es seien noch wesentliche Schritte erforderlich, um verbleibende Risiken für den EU-Haushalt in Ungarn zu beseitigen. Konkret wird etwa befürchtet, dass wegen Korruption EU-Mittel nicht zu vorgesehenen Zwecken eingesetzt werden.

Ungarns Retourkutsche

Brisant ist das Thema auch, weil Ungarn in Verbindung mit der möglichen Geldkürzung andere Vorhaben blockiert, unter anderem weitere Milliardenhilfen für die Ukraine sowie die internationale Mindeststeuer. "Unser Ziel bleibt es, Anfang Jänner mit der Auszahlung der Hilfen für die Ukraine zu beginnen", sagte der tschechische Finanzminister Zbynek Stanjura, dessen Land noch bis Jahresende den EU-Ländern vorsitzt. Nach seinen Worten wollen die anderen 26 Mitgliedsländer nun eine Alternativlösung suchen, was jedoch als kompliziert gilt.

EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn sagte, Brüssel werde "das Bestmögliche tun", um der Ukraine die 18 Milliarden Euro bereitzustellen, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Kiew für das kommende Jahr in Aussicht gestellt hatte.