Nach zwei Jahren blutigem Krieg gibt es vorsichtige Hoffnung: Die äthiopische Regierung und die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) haben einen sofortigen Waffenstillstand vereinbart. Vor laufenden Kameras unterzeichneten die Konfliktparteien am Mittwoch ein entsprechendes Abkommen. In einer gemeinsamen Mitteilung hieß es dazu: "Nach zehn Tagen intensiver Verhandlungen haben [wir] ein Friedensabkommen geschlossen."

Details dazu, worauf die politische Lösung basiert, gab es am Mittwoch nicht. "Beide Parteien haben sich formell auf die Einstellung der Feindseligkeiten sowie (...) auf Abrüstung geeinigt", erklärte der Vermittler der Afrikanischen Union, der ehemalige nigerianische Präsident Olusegun Obasanjo. Teil des Abkommens sei eine Vereinbarung, Recht, Ordnung und öffentliche Dienstleistungen wiederherzustellen sowie Zugang zu Hilfsgütern zu ermöglichen, so Obasanjo. Die Konfliktparteien hatten mehr als eine Woche hinter verschlossenen Türen verhandelt. Eigentlich sollten die Gespräche nur ein paar Tage dauern.

Mit der Vereinbarung ist eine erste Hürde genommen. Nun sei die schnelle Umsetzung des Abkommens mit all seinen Aspekten "von entscheidender Bedeutung", sagte Obasanjo. "Dieser Moment ist nicht das Ende des Prozesses, sondern der Anfang davon."

Der Konflikt zwischen der Regierung in Addis Abeba und der TPLF begann im November 2020, nachdem die TPLF trotz Verbots aus Addis Abeba Regionalwahlen in der nördlichen Tigray-Region abgehalten hatte. Kurzzeitig gab es im Frühjahr 2022 einen humanitären Waffenstillstand. Doch dieser währte nicht lange. Bereits fünf Monate später, im August, entfachte der Krieg erneut. Beobachter der Vereinten Nationen gehen von mehr als einer halben Million Toten seit Kriegsbeginn aus.

Wird die Waffenruhe halten?

Daher brennt Äthiopiern nun vor allem eine Frage auf der Seele: Wird die Waffenruhe diesmal halten? Selbst die Vermittler betonten am Mittwoch, wie fragil die Situation sei. "Die tief liegenden Gründe für den Konflikt werden ausnahmslos bestehen bleiben, es sei denn, sie werden durch Dialog gelöst", warnte die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor. Der ehemalige kenianische Präsident Uhuru Kenyatta betonte, die Implementierung der Vereinbarungen werde streng von der AU überwacht werden. Den Preis, den die rund 118 Millionen Menschen in dem Land am Horn Afrikas aufgrund des Konflikts zahlen mussten und weiterhin müssen, ist enorm. Der Konflikt ist nach Angaben des Forschungsinstituts International Crisis Group (ICG) "einer der tödlichsten weltweit". Allein in den vergangenen zwei Monaten sollen laut ICG Zehntausende Menschen getötet worden sein. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, hatte kurz vor Beginn der Friedensgespräche noch gewarnt, die "Situation im Land gerate außer Kontrolle".

Überwältigende Brutalität

Die überwältigende Brutalität des Krieges hatte unlängst ein Bericht der UN-Menschenrechtskommission belegt. Beide Kriegsparteien sollen demnach in eroberten Gebieten Zivilisten misshandelt und Frauen vergewaltigt haben. Durch die Blockade der Region Tigray durch die Regierungstruppen konnten die Menschen in Tigray kaum noch mit der Außenwelt kommunizieren. Konten waren eingefroren, Hilfslieferungen blockiert. Dem Bericht zufolge hat der Konflikt zu einem Anstieg von Kinderarbeit, Menschenhandel und Transaktionssex – also Sex für Geld, Lebensmittel oder Geschenke – geführt. Eltern verheirateten ihre minderjährigen Kinder in der Hoffnung, ihr Überleben zu sichern, hieß es. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO leiden 89 Prozent der gut sieben Millionen Einwohner Tigrays unter Lebensmittelknappheit.

UN-Sprecher Stéphane Dujarric zeigte sich nach Unterzeichnung des Abkommens vorsichtig hoffnungsvoll: Es sei "ein sehr willkommener erster Schritt, von dem wir hoffen, dass er den Millionen von äthiopischen Zivilisten, die während dieses Konflikts wirklich gelitten haben, etwas Trost bringt."

Auch Österreich begrüßt die Vereinbarung. "Wir erwarten, dass beide Seiten ihre Zusagen einhalten und zügig für Entwaffnung und ungehinderten humanitären Zugang sorgen. Der einzige Weg nach vorne führt über Dialog und Diplomatie", teilte das Außenministerium auf Twitter mit.