Italiens designierte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (FdI) ist für ihren Koalitionspartner Silvio Berlusconi (FI) ein rotes Tuch. Bei der derzeitigen Verhandlungen über die Regierungsbildung der Mitte-rechts-Koalition von Fratelli d`Italia (FdI), Forza Italia (FI) und Lega, hatte Meloni einen Großteil der Forderungen Berlusconis abgelehnt. Das wollte sich der vom Erfolg verwöhnte und kaum Widerspruch duldende, 86-jährige Berlusconi nicht gefallen lassen. Noch dazu von einer 40 Jahre jüngeren Frau. Der viermalige Ministerpräsident, mehrmals wegen Korruption und Steuerhinterziehung verurteilt, der sein Milliarden-Imperium angeblich auch mithilfe der Mafia etablierte, forderte nicht nur seine Parteimitglieder auf, sich der Stimmen bei der Wahl des neuen Senatspräsidenten Ignazio La Russa (FdI) zu enthalten.
Dieser konnte nur dank einiger Stimmen der Opposition gewählt werden. Auch nannte Berlusconi die künftige Regierungschefin anmaßend, selbstherrlich, arrogant und beleidigend. Dies hatte er sogar schriftlich festgelegt. Meloni reagierte prompt: Sie sei nicht erpressbar und verlange eine Entschuldigung. Selbst Neuwahlen schloss sie nicht aus.
Berlusconi musste nachgeben
Nun hat Berlusconi nachgegeben und einem Treffen mit Meloni am Montagnachmittag zugestimmt. Nicht etwa in einer der Luxusvillen des Politikers, sondern im Hauptquartier der Meloni-Partei FdI. Die Begegnung fand unter vier Augen statt. In einer gemeinsamen Mitteilung hieß es, die Schwierigkeiten der letzten Tage seien überwunden. Die drei Koalitionspartner werden ihr Regierungskonzept in den nächsten Tagen präsentieren. Der Fokus konzentriert sich auf den Energiesektor. Details über den erzielten Kompromiss wurden bis Redaktionsschluss nicht bekannt.
Die öffentliche Meinung im Vorfeld des Streits war recht eindeutig: Berlusconi habe durchgedreht. Das Alter spiele eine Rolle. Selbst der ehemalige Chefredakteur der Berlusconi-Zeitung Il Giornale, Alessandro Salustri, sprach von einem "strategischen Fehler" seines ehemaligen Chefs. Er rechnet aber nicht damit, dass der Ex-Regierungschef seine politische Karriere beendet.
Vermutlich wird sich das politische Schlamassel im Rechtslager beruhigen. Die künftige Regierungschefin geht klar als Gewinnerin aus dem Streit hervor. Denn sie hat nicht nur Forderungen Berlusconis und seiner Forza Italia abgelehnt – etwa die Krankenschwester und spätere Organisatorin von Berlusconis „Bunga Bunga-Festen“ Licia Ronzulli zur Ministerin zu machen. Auch der von Berlusconi geforderte Posten des Justizministers scheint keineswegs sicher. Die Ambitionen von Lega-Chef Matteo Salvini Innenminister zu werden, blitzten bei Meloni ebenfalls ab. Denn die ausländerfeindliche Politik Salvinis während seiner Zeit als Innenminister 2018/19, hat ihm mehrere Prozesse eingebracht.
Forza-Spaltung setzt sich fort
Zweifellos ist die 45-jährige Meloni in manchen Bereichen, wie etwa Gender- und Familienpolitik ultrakonservativ. Doch sie hat sich ausdrücklich für Europa ausgesprochen. Und will weiterhin die Ukraine unterstützen. Auch plant sie, mehrere politischen Spitzenpositionen mit Experten ihres Fachs zu besetzen. Und lässt sich dabei weder vom Patriarchen Berlusconi noch vom "Macho" Salvini den Weg versperren.
Der von Berlusconi ausgelöste Streit in der Mitte Rechtskoalition wird auf die Parteienlandschaft erhebliche Folgen haben. Berlusconis Forza Italien, die bei den Wahlen nur mehr acht Prozent der Stimmen zählte, wird geschwächt. Innerhalb der Forza Italia setzt sich die Spaltung nach dem jüngsten Parteiaustritt von gleich drei Ministern der Regierung Draghi, fort. Bekanntlich hat der ehemalige Regierungspartner von Mario Draghi, Silvio Berlusconi, in letzter Minute überraschend gegen den ehemaligen EZB-Präsidenten und für den Ausstieg der Forza Italia aus der Regierungskoalition gestimmt. Das hat auch innerparteiliche Kritik ausgelöst.
Thesy Kness-Bastaroli (Rom)