Die USA würden Taiwan notfalls militärisch gegen China verteidigen, so US-Präsident Joe Biden. Noch bevor die Aussage von Joe Biden über die amerikanischen Bildschirme flimmerte, ruderte das Weiße Haus zurück. Die Politik der US-Administration gegenüber Taiwan habe sich nicht verändert, teilte ein Regierungsbeamter der Redaktion der Nachrichtensendung "60 Minutes" mit, die am Sonntag ein ausführliches Interview mit dem Präsidenten ausgestrahlt hatte. Was war geschehen? Der Journalist Scott Pelley hatte Biden gefragt, ob amerikanische Streitkräfte die Insel gegen einen Angriff der Volksrepublik China verteidigen würden. "Ja", sagt der Präsident, ohne zu zögern. "Wenn es sich tatsächlich um einen nie da gewesenen Angriff handeln würde."

Es ist eine Aussage des Oberbefehlshabers, die scheinbar mit Jahrzehnten amerikanischer Politik bricht. Offiziell halten sich die Vereinigten Staaten bedeckt, wie sie auf Aggression der Volksrepublik gegenüber Taiwan reagieren würden. "Strategische Ambiguität" nennt sich der Ansatz, der Washington eine belastbare Arbeitsatmosphäre mit Beijing ermöglichen soll, ohne den langjährigen Verbündeten in Taipeh allein zu lassen.

Kritik an Zurückhaltung

Doch angesichts des Kriegs in der Ukraine steht dieser Ansatz zunehmend in der Kritik. In außenpolitischen Zirkeln wird schon länger darüber diskutiert, ob man Russland nicht womöglich von seinem völkerrechtswidrigen Angriff auf den Nachbarn hätte abschrecken können, wenn klar gewesen wäre, dass die USA Kiew verteidigen würden. Womöglich um eine vergleichbare Eskalation im Pazifik zu vermeiden, ändert Biden nun immer wieder seinen Ton. Denn es ist nicht das erste Mal, dass er bekräftigt, Washington werde Taipeh im Falle eines Angriffs verteidigen – auch wenn seine Administration die Worte immer wieder einfängt.

Das Hin und Her mag taktisch motiviert sein. Doch womöglich zeigt es auch, warum sich Biden nur selten den Fragen von Journalisten stellt. Ausführliche Interviews sind selten. Vor seinem Auftritt bei "60 Minutes" war er mehr als ein halbes Jahr nicht mehr in eine reichweitenstarke Nachrichtensendung gegangen. Den großen Zeitungen hat er bis heute kein Gespräch gewährt.

"Pandemie beendet"

Wohl auch, weil der Präsident seine eigenen Mitarbeiter manchmal mit unerwarteten Aussagen überrascht. So sei etwa die Covid-19-Pandemie beendet, verkündete Biden – Berichten zufolge sehr zur Überraschung seiner Fachberater. Gleichzeitig bemühte sich der Präsident, die Auswirkungen des Virus nicht zu minimieren. "Die Auswirkungen der Pandemie auf die Psyche der amerikanischen Bevölkerung sind tiefgreifend", sagte er. "Wir haben Millionen Menschen verloren."

Auch mit Blick auf seine eigene Zukunft überraschte der Präsident seinen Gesprächspartner. Denn er wollte sich nicht festlegen, ob er 2024 für eine zweite Amtszeit antreten werde. "Ist es eine feste Entscheidung, dass ich wieder kandidiere? Das bleibt abzuwarten", sagte Biden. Er werde seine Entscheidung nach den Zwischenwahlen im November treffen. Biden schränkte jedoch ein, dass es immer seine "Absicht" gewesen sei, eine weitere Amtszeit anzustreben. Eine offizielle Erklärung lehne er zu diesem Zeitpunkt jedoch ab, weil dies bestimmte rechtliche Auflagen nach sich ziehen würde. Seinen möglichen Gegenkandidaten Donald Trump ließ Biden nicht ungeschoren. Dessen Umgang mit Geheimpapieren sei "vollkommen verantwortungslos", so der Präsident.