Einigermaßen überraschend ist die Stellungnahme des Finanzministeriums im Begutachtungsverfahren zu den neuen Pflege-Schulformen ausgefallen. Die konkrete Umsetzung der Novelle sei "der Höhe nach abzulehnen, da die dargestellten Kosten nicht bedeckt sind", nämlich jährlich rund 100 Mio. Euro im Endausbau. Ein Sprecher von Minister Magnus Brunner (ÖVP) begründete dies am Samstag damit, dass die Budgetverhandlungen noch nicht abgeschlossen seien.
Auch im Bildungsministerium hatte man sich die Einwände aus dem Finanzressort mit den derzeit laufenden Budgetverhandlungen erklärt. Die Schulrechtsnovelle ist ein wesentlicher Teil der großen Pflegereform der Bundesregierung. Es sei für jeden klar, dass diese Reform angesichts des Mangels an Pflegekräften sehr wichtig ist, erklärte ein Sprecher von Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) auf Anfrage der APA.
Das Finanzministerium leitet seine Stellungnahme auch damit ein, dass "die Zielsetzung des Gesetzesentwurfes, einen größeren Personenkreis für das Berufsfeld Pflege zu gewinnen ... nachvollziehbar" sei und verweist auf den Ministerratsbeschluss vom 12. Mai, allerdings ergänzt um "dem Grunde nach". Denn das Finanzressort hat – wie auch orf.at berichtete – auch Wünsche hinsichtlich der Kostenaufteilung.
Länder sollen doch Kosten tragen
Die geplante Finanzierung scheine "im Widerspruch zur verfassungsrechtlich geregelten Kompetenzverteilung" zu stehen, merkt es an. Die Ausbildung in Gesundheitsberufen liege in der Zuständigkeit der Länder. Bei dem seit 2020/21 laufenden Schulversuch trage der Bund die Kosten für die allgemeinbildenden Fächer, die Länder jene für die Pflegeausbildung. Diese Kostenteilung sollte "jedenfalls auch" für den Regelbetrieb vorgesehen werden, fordert Brunners Ressort.
Das Bildungsministerium hatte in den Gesetzesunterlagen festgehalten, dass sich aus dem Ausbau der Pflegeausbildung "keine finanziellen Auswirkungen für Länder, Gemeinden und Sozialversicherungsträger" ergeben würden. Bis 2028 sollen demnach 8000 zusätzliche Ausbildungsplätze an den beiden Pflegeschulen geschaffen werden. "Ab dem Schuljahr 2027/28 ist mit einem jährlichen Mehraufwand von rund 88 Millionen Euro zu rechnen", hat das Ministerium berechnet.
Wien sperrt Betten und Stationen
Mit dem Gesetz – das bis gestern, Freitag, in Begutachtung stand – sollen derzeit laufende Schulversuche zur Pflegeausbildung ab 2023/24 ins Regelschulwesen überführt werden. Konkret sind das "Höhere Lehranstalten für Pflege und Sozialbetreuung", die als fünfjährige berufsbildende höhere Schulen (BHS) konzipiert sind, die zur Matura führen. Dreijährige Fachschulen für Sozialberufe mit Pflegevorbereitung bieten bereits Lehrinhalte der Pflegeassistenzausbildung.
Wie dringend die neuen Fachkräfte benötigt werden, zeigt sich etwa in Wien: In der Hauptstadt werden in den nächsten zehn Jahren 10.000 Pflegekräfte benötigt. Schon jetzt sind allein in den Wiener Gemeindespitälern 2000 Stellen unbesetzt, das ist jede 13. Stelle, wie orf.at berichtete. In der Klinik Ottakring wurde bereits eine Unfallchirurgie komplett geschlossen. Auch eine Gefährdungsanzeige, die auf die Überlastung des Personals hinweist, wurde verfasst.