Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen hat die chinesischen Manöver um die Inselrepublik "unverantwortlich" genannt. In einer Videoansprache am späten Donnerstagabend forderte die Präsidentin die chinesische Führung nachdrücklich zur Vernunft und Zurückhaltung auf. Taiwan werde die Spannungen nicht eskalieren, sondern wolle den Status quo bewahren. Japan und die USA betonten ihren Willen zur engen Zusammenarbeit und die Bedeutung von Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße.
Die taiwanesische Regierung arbeite daran, den Betrieb der taiwanischen Häfen und Flughäfen reibungslos zu gestalten und die Finanzmärkte zu stabilisieren, so Tsai Ing-wen in ihrer Ansprache. Die Präsidentin dankte der G7-Gruppe der sieben führenden Industrienationen zusammen mit der Europäischen Union für deren Unterstützung. Die G7 hatte ihre Sorge geäußert und betont, es gebe keinen Grund dafür, einen Besuch als Vorwand "für aggressive militärische Aktivitäten" zu benutzen. In Peking wurden Botschafter der EU-Länder und der EU-Vertreter ins Außenministerium zitiert, wo ihnen ein formeller Protest gegen die G7-Erklärung übergeben wurde.China hatte die Manöver am Dienstag als Reaktion auf die Visite der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan gestartet. Es war die ranghöchste Visite aus den USA seit einem Vierteljahrhundert.
Zusammenarbeit Japan und USA
Japan und die USA wollen angesichts des Konflikts um Taiwan eng zusammenarbeiten. Es sei wichtig, den Frieden und die Stabilität in der Taiwanstraße zu wahren, so Japans Regierungschef Fumio Kishida und Pelosi am Freitag bei einem Treffen in Tokio. Am Vortag waren bei Manövern der chinesischen Volksbefreiungsarmee in den Gewässern vor Taiwan fünf Raketengeschosse in Japans ausschließlicher Wirtschaftszone niedergegangen.
Chinas Verhalten habe "ernste Auswirkungen auf den Frieden und die Stabilität in der Region und der internationalen Gemeinschaft", sagte Kishida laut japanischen Medienberichten. Pelosi war am Vorabend zum Abschluss ihrer Asienreise in Tokio eingetroffen. Sie hatte zuvor Gespräche in Singapur, Malaysia, Taiwan und Südkorea geführt.
Weitere Verstimmungen
Weitere Verstimmungen werden durch den länger geplanten Besuch des Menschenrechtsausschusses des deutschen Bundestages in Taiwan erwartet. Die Reise soll zwischen dem 22. und 30. Oktober stattfinden und neben Taiwan auch nach Japan und in die chinesische Sonderverwaltungsregion Hongkong gehen, wie die dpa von Abgeordneten erfuhr. An der Reise werden voraussichtlich Abgeordnete aller sechs Fraktionen teilnehmen.
Proteste Chinas wären für den CDU-Politiker Michael Brand kein Grund, von der Reise Abstand zu nehmen. Chinas Führung müsse acht geben, "nicht nur noch zum Drohungen speienden Drachen" zu werden. Man werde die Demokratien dieser Welt trotz aller Drohgebärden nicht im Stich lassen - im Gegenteil: "Wenn wir uns selbst ernst nehmen, dann müssen wir China endlich ernst nehmen und die Bedrohung zurückweisen."
Manöver bis Sonntag
Die bis Sonntag (7.7.) laufenden Manöver in sechs Meeresgebieten rund um die Insel zielen auf eine See- und Luftblockade und dienen der Vorbereitung auf eine mögliche Invasion. Es ist die bisher größte Machtdemonstration Chinas seit Jahrzehnten. Bei den Manövern hatte China elf Raketen vom Typ "Dongfeng" (Ostwind) gestartet, wie Taiwans Militär berichtete. Zudem seien 22 chinesische Flugzeuge, darunter auch Kampfjets, allein am Donnerstag in Taiwans Luftüberwachungszone (ADIZ) eingedrungen. Chinas Volksbefreiungsarmee nannte die geübten "Präzisionsschläge" mit den Raketen einen vollen Erfolg und hob Warnungen wegen der Schießübungen für den See- und Luftverkehr wieder auf, während die Manöver andauerten.