"Der Verbrauch für ein Jahr wird teilweise für drei Jahre eingekauft. Da entsteht natürlich eine künstliche Verknappung", sagte der Politiker im Gespräch mit der APA. Im Zuge der allgemeinen Teuerung sind zuletzt auch die Holzpreise deutlich gestiegen. Weitere Entlastungsmaßnahmen gegen die hohe Inflation hält Totschnig aktuell aber nicht für notwendig.
Vom Preisschub wurde neben Energie und Lebensmitteln zuletzt auch Holz erfasst, das momentan als Alternative zu Gas und Heizöl stark nachgefragt wird. Zuletzt mehrten sich außerdem Berichte über knappe Holz-Lagerbestände im Handel. "Holz ist das neue Klopapier. Wir sehen da eine Entwicklung, die wir noch als Klopapiereffekt aus der Coronakrise kennen", so Totschnig. Werde nur der Bedarf für heuer abgedeckt, so sei die Versorgung gesichert. Sein Appell an die Bevölkerung laute daher: "Bitte normal einkaufen. Nicht hamstern, nicht horten."
Generell sieht der Minister Österreich im Kampf gegen die Teuerung gerüstet. Auf die Frage, ob er die Einführung des zuletzt viel diskutieren Stromrechnungsdeckels befürworte, verwies Totschnig auf bereits geschnürte Entlastungspakete: "Wir sind in einer Phase, wo die Entlastungsmaßnahmen, die wir als Bundesregierung beschlossen haben, zu greifen beginnen." Man müsse nun abwarten, wie sich die Situation entwickle.
Unklar war zuletzt, ob auch kleine und mittlere Unternehmen und damit ein Gutteil der landwirtschaftlichen Betriebe von einer möglichen Stromrechnungsdeckelung erfasst werden könnten. Derzeit prüfe das Finanzministerium alle Alternativen – auch im Sinne der Landwirtschaft, so Totschnig. Mit dem Versorgungssicherheitspaket habe man aber ohnehin bereits Hilfen für den Agrarsektor auf den Weg gebracht, der zuletzt mit erhöhten Betriebsmittelpreisen gekämpft habe.
Zu den im Gegenzug ebenso in die Höhe geschnellten Erzeugerpreisen für landwirtschaftliche Produkte, von denen die Bauernschaft profitiert, sagte Totschnig: "Wir haben eine bessere Preissituation, aber wir haben auch eine andere Kostensituation. Und am Ende des Jahres zählt die Abrechnung am Hof. Da muss man abwarten." Die Bauern erhalten für Produkte wie Milch, Getreide und Fleisch derzeit einen deutlich höheren Preis als vergangenes Jahr.
Weiterhin sieht der ÖVP-Politiker keinen Anlass für eine Senkung der Mehrwertsteuer oder eine Preisregulierung für Grundnahrungsmittel, wie zuletzt etwa von SPÖ und Gewerkschaft gefordert. Eine Senkung der Umsatzsteuer halte er insofern für problematisch, als man in anderen Ländern gesehen habe, "dass der Effekt nach wenigen Wochen verpufft ist". Der aus seiner Sicht geringe Nutzen für die Verbraucher stehe dabei in keiner Relation zu den damit einhergehenden Einnahmenverlusten für den Staat. Wichtig sei, die Versorgung mit Lebensmitteln zu sichern, was auch gelinge.
Zuspitzung beim Klimawandel
Eine weitere Zuspitzung befürchtet der Ex-Bauernbundchef beim Klimawandel. Zustände, die man schon seit Jahren in südlicher gelegenen Ländern beobachte, könnten früher oder später auch Österreich ereilen, meinte Totschnig. Deswegen sei es für die Landwirtschaft wichtig, sich auf eine andere Klimakonstellation einzustellen. Vor allem an der Züchtung hitzeresistenter Pflanzen müsse man arbeiten. Gleichzeitig hob er den Beitrag hervor, den die heimischen Bäuerinnen und Bauern zur Reduktion der Emissionen leisten würden. So sei man anderen Ländern mit Blick auf die Nachhaltigkeit weit voraus, betonte der Minister.
Den rhetorisch, konfrontativen Kurs seiner Amtsvorgängerin, Elisabeth Köstinger (ÖVP), gegenüber den Supermarktketten will Totschnig nicht weiterführen. "Durch die Einrichtung des Fairness-Büros hat sich die Ausgangslage verändert." Die im Frühjahr eröffnete Stelle im Landwirtschaftsministerium kümmert sich um Beschwerdefälle im Hinblick auf unfaire Geschäftspraktiken in der Lebensmittelkette. "Ich bin für den Dialog und dafür, Brücken zu bauen, aber auch für eine klare Aussprache, wenn irgendetwas nicht funktioniert", so der Landwirtschaftsminister. Totschnig will sich mit dem Lebensmittelhandel in den nächsten Wochen "enger austauschen". "Treffen mit den Chefs der Supermarktketten sind geplant." Der österreichische Lebensmittelhandel ist hoch konzentriert, auf Spar, Rewe und Hofer entfiel zuletzt ein Marktanteil von 84 Prozent.
Die schon unter der ÖVP-FPÖ-Vorgängerregierung anvisierte Herkunftskennzeichnung von Milch, Eiern und Fleisch in der öffentlichen und privaten Gemeinschaftsverpflegung sowie bei verpackten Lebensmitteln soll nun bald Realität werden. Das Begutachtungsverfahren zur Herkunftskennzeichnung-Verordnung in der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung ist abgeschlossen, derzeit werden laut Ministerium die Stellungnahmen eingearbeitet. "Wir gehen davon aus, dass die Verordnung noch heuer kundgemacht wird", sagte der Landwirtschaftsminister. Bei der Verordnung für die Herkunftskennzeichnung in verarbeiteten Lebensmitteln ist das Begutachtungsverfahren ebenfalls beendet und es werden die Stellungnahmen berücksichtigt. "Parallel laufen Gespräche zur EU-konformen Ausgestaltung im Sinne des Binnenmarkts. Eine Finalisierung ist nach wie vor Anfang nächsten Jahres angedacht", so der Landwirtschaftsminister.
Nach dem von der SPÖ erhobenen Vorwurf, das Landwirtschaftsministerium könnte 2017 durch Zahlungen an Medien des Bauernbundes Wahlkampffinanzierung für die ÖVP betrieben haben, hatte Totschnig Ende Juni die interne Revision des Landwirtschaftsministeriums eingeschaltet. "Die Ergebnisse der Prüfung durch die interne Revision sollen so bald wie möglich vorliegen", kündigte Totschnig an.