Ganz gegen Ende der ORF-Pressestunde rückte der grüne Minister Johannes Rauch am Sonntag zur Frontalattacke gegen den Koalitionspartner ÖVP aus. Gefragt, worin seiner Meinung nach das "System Sebastian Kurz" bestanden habe, sagte der Minister: "Vom System Kurz ist schon ein Schaden für die Politik angerichtet worden. Dieses System aus Käuflichkeit und Inseratenkorruption kann ja von niemandem entschuldigt werden."
Es gehe daher jetzt um "schonungslose Aufklärung", auch im ÖVP-Untersuchungsausschuss. Und auch, wenn das für die ÖVP "schmerzhaft" sei. Rauch sagte aber auch, dass der nunmehrige Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer einen "anderen Stil" habe. Ob die Partei das System Kurz schon überwunden habe, beurteilt Rauch zurückhaltend: "Systemveränderungen dauern länger, aber die Arbeit läuft." Dabei gehe es um die Eigenverantwortung der ÖVP, "denn ich bin ja nicht ihr Therapeut und will es auch nicht sein."
Gewählt werde aber "wenn es nach mir geht" planmäßig im Jahr 2024, betonte der Sozial- und Gesundheitsminister. Auf Koalitionsspekulationen - etwa, ob er eine rechnerisch vielleicht möglich werdende SPÖ-Grün-Neos-Koalition vorziehe - ließ sich Rauch nicht ein.
Sachpolitisch kam wenig Neues. Eine Verpflichtung zum Energiesparen lehnt Rauch ab, besser wären Beratungen und Prämien. Zur diskutierten Erhöhung des Arbeitslosengeldes verriet Rauch, dass man mit der ÖVP gerade intensiv darüber verhandle. Er wünsche sich, dass man zu Beginn höhere Zahlungen gewähre und bei längerer Arbeitslosigkeit dann aber nicht unter die jetzt gültige Höhe (55 Prozent Netto-Ersatzrate vom Arbeitslohn) falle. Vor dem Sommer werde sich die Reform aber nicht mehr ausgehen.
Kritik am Anti-Teuerungspaket der Regierung lässt Rauch nicht gelten. Es stimme, dass auch Reiche profitieren. "Aber man kann nicht beides machen: schnell helfen und treffsicher sein." Er halte das Paket für ausgewogen.
In der Pflegereform geht Rauch davon aus, dass die befristeten Gehaltserhöhungen für Pflegekräfte nie mehr abgeschafft werden. Das würde sich niemand trauen: "Das ist die normative Kraft des Faktischen." Die Verantwortung trügen aber die Länder, der Bund habe "Anschubfinanzierung" gewährt.
Eine kurzfristige Wiedereinführung der Maskenpflicht wegen Corona lehnt Rauch ab. Die Zahlen gingen zwar in die Höhe, man habe aber andere Instrumente zur Verfügung, etwa Medikamente. Außerdem werde nach wie vor breit getestet. Rauch verwies auf die steigende Zahl psychischer Krankheiten, die Menschen seien schon genug belastet. Viel wichtiger sei die Auffrischung der Impfung, da werde es nun schrittweise exakte Empfehlungen geben. Zu den Schulen meinte Rauch: "Das Maßnahmen-Regime wird zwei Wochen vor Schulbeginn klar sein. Ich gehe davon aus, dass wir zu Schulbeginn mit einiger Sicherheit wieder Masken tragen werden."
Seine Forderung nach Erbschaftssteuer für Millionäre hält Rauch aufrecht. Mit der ÖVP gehe das zwar nicht, aber: "Das ist eben eines der dicksten Bretter, die zu bohren sind. Ich habe da einen ganz langen Atem." Im Blick habe er sowieso nur "Erbschaften in zwei- und dreistelligen Millionenhöhen".
Und noch ein Nadelstich gegen die ÖVP: Gefragt nach der Aussage von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, sie persönlich spare zum Beispiel bei der Anzahl der Ballkleider, sagte der Minister: "Die Kommentierung dieser Aussage ersparen Sie mir bitte!"