Auch am heutigen Mittwoch beschäftigt sich der U-Ausschuss auf Wunsch der ÖVP weiter mit der Justiz. Die Rechtsschutzbeauftragte Gabriele Aicher weist Vorwürfe, sie habe parteipolitisch gehandelt, von sich: "Ich habe keine politischen Förderer gehabt und bin in keiner Weise ÖVP-nahe."
Im Vorfeld kritisierte der türkise Fraktionsführende Andreas Hanger einmal mehr die grüne Justizministerin. Der Koalitionspartner will das nicht auf sich sitzen lassen und kritisiert, dass sich die "Hanger-ÖVP" einmal mehr auf die Justiz einschieße.
Prominenteste Geladene ist die Justiz-Rechtsschutzbeauftragte Gabriele Aicher, die am Nachmittag aussagen wird. Sie hatte nach heftiger Kritik aus der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ihren Rückzug von ihrem Posten per 30. Juni angekündigt. Aichers Kritik richtete sich etwa gegen die Hausdurchsuchungen im Zusammenhang mit den Ermittlungen in der ÖVP-Inseratenaffäre. Zudem warf Aicher Justizministerin Alma Zadić (Grüne) vor, sie würde versuchen, ihre Weisungsungebundenheit zu umgehen, indem Zadić ihr klargemacht habe, sie solle "keine WKStA-Angelegenheiten mehr machen".
Die öffentlich geäußerte Vermutung, sie sei Teil eines türkisen oder schwarzen Netzwerks, entbehre jeglicher Grundlage, wies Aicher Kritik an ihrer Person von sich: "Ich habe keine politischen Förderer gehabt und bin in keiner Weise ÖVP-nahe". Nach Veröffentlichungen in Medien zu Sie habe sich einen Anwalt gesucht, um ihre Mitarbeitenden zu schützen, weil auch sie als Quelle für Leaks in Frage gekommen seien. Die Vorstellung, dass einer ihrer Kanzleimitarbeiter, der "eher zart besaitet ist", einzeln vernommen werden könnte, habe ihr Sorge bereitet.
"Jeder Querulant macht bessere Anzeigen als die WKStA"
Sie habe nicht gewusst, dass der Partner ihres Anwalts einen Beschuldigten in der ÖVP-Inseraten-Affäre vertritt. Auf Befangenheit hinzuweisen, wäre Aufgabe des Anwalts gewesen, so Aicher, die nichtversteht, wie sie bei der Wahl darauf achten hätte sollen: "Ich habe nicht einmal die Beschuldigtenliste gehabt". Sie habe zur Vorsorge einen anderen Anwalt beauftragt.
Sie habe immer wieder Bedenken gegen das Vorgehen der WKStA gehabt. Man habe in ihrer Behörde immer gesagt: "Jeder Querulant macht bessere Anzeigen als die WKStA". Als sie neben dem Ukraine-Konflikt in der Zeitung stand, sei ihr klar gewesen: "Die (von der WKStA Anm.) geben einfach keine Ruhe".
Die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte würden regelmäßig Grenzen überschreiten, so die Rechtsschutzbeauftragte - etwa bei der Auswertung von Chats: "Sie verfolgen uns ja, jeder wird verfolgt", so Aicher. Manche Mitarbeiter würden ihr sagen, "sie gehen nur noch mit der Zahnbürste ins Büro, weil sie nicht wissen, ob sie am Abend heimkommen."
Grüne Kabinettschefin weist "bisschen unterstellende" ÖVP-Argumentation zurück
Vor Aicher hat die Kabinettschefin der Justizministerin, Sarah Böhler, Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Insbesondere interessiert die ÖVP das Verhältnis Böhlers zu Peter Pilz, deren langjährige parlamentarische Mitarbeiterin sie war. Man habe "Indizien dafür, dass hier auch Informationsaustausch besteht", sagte Hanger – ohne konkret darauf einzugehen.
Geleakte Akten könnten neben Abgeordneten, Staatsanwaltschaften und Beschuldigten-Anwälten etwa auch aus dem Justizministerium kommen, erklärte der türkise Fraktionschef im Vorfeld. Sie habe keine Akten an Pilz weitergeben, die Unterstellung einer strafbaren Handlung müsse sie "aufs Schärfste zurückweisen", so Böhler.
Hangers Argumentation, dass Zadić mit der Suspendierung des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, politischen Einfluss ausgeübt habe, sei "so nicht richtig und ein bisschen unterstellend", befand die Kabinettschefin. Man habe aus der zuständigen Sektion zwei gleichwertige Möglichkeiten erhalten, die Ministerin habe eine davon gewählt – die Suspendierung von Fuchs.
Der türkise Fraktionschef will von Böhler auch wissen, warum von ihm geforderte Akten noch nicht geliefert wurden. Er müsse seinem Kollegen recht geben, sagte SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer: Die meisten Unterlagen, die geliefert werden würden, hätten einen Bezug zur ÖVP – "weil die liefernden Stellen lesen können, den Untersuchungsgegenstand lesen und daher entsprechend liefern".
Weisungsrat reicht eine Äußerung
Den Beginn am heutigen Tag machte aber die Strafrechtsprofessorin Susanne Reindl-Krauskopf, die Mitglied im Weisungsrat ist. Dieser hatte sich auf Weisung von Justizministerin Zadić nicht erneut mit dem Strafantrag gegen Johann Fuchs beschäftigt. "Es gibt keine zwingende Neuvorlegung", erklärte die Rechtsexpertin. Der Weisungsrat habe sich ihrer Meinung nach in der Causa klar geäußert, sie habe sich daher kein technisches Umsetzungsproblem erwartet, das eine erneute Vorlage nötig machen würde. Ob sich weitere Fragen im Ministerium aufgetan hätten, mit denen man den Weisungsrat beschäftigten hätte müssen, könne sie nicht beurteilen.
Eine Prüfung, die der Weisungsrat vornehmen wollte, bezog sich auf den Vorwurf gegen Fuchs, Informationen an Christian Pilnacek weitergegeben zu haben. Um ein Geheimnis zu verraten, müsse auch das Gegenüber die Information nicht kennen, sagte Reindl-Krauskopf: "Für uns hat sich die Frage gestellt, ob die Zuständigkeit des damaligen Sektionschefs tatsächlich nicht mehr gegeben war". Vereinfacht gesagt: Es war für den Weisungsrat fraglich, ob Fuchs die geheimen Informationen nicht einfach versehentlich an seinen früher dafür zuständigen Vorgesetzten geschickt hatte.
Auch bezüglich des Strafantrags wegen Falschaussage gegen Fuchs habe sie persönlich nicht überzeugt, sagte die Expertin. "Unklarheiten" bei Strafanträgen sollten ausgeräumt werden, um die Urteilswahrscheinlichkeit auf über 50 Prozent zu erhöhen – fällt sie darunter, darf die Staatsanwaltschaft nicht anklagen.
Die Aufgabe des Weisungsrats sei, solche Unklarheiten zu suchen und darauf aufmerksam zu machen. Ob auf die Bedenken eingegangen wurde, könne sie nicht beurteilen. Denn nur weil der Strafantrag sich inhaltlich nicht stark verändert habe, heiße das nicht, dass Bedenken nicht berücksichtigt und mögliche Unklarheiten erneut geprüft wurden, erklärte Reindl-Krauskopf.
"Die Ministerin hat nicht inhaltlich in die Ermittlungen eingegriffen", wies Zadić Kabinettschefin Böhler derartige Vorwürfe der ÖVP zurück. Die Sache war im Weisungsrat, dieser hatte sich geäußert, die Bedenken wurden eingearbeitet und der Strafantrag eingebracht. Es sei nicht Sinne des Gesetztes, einen Strafantrag so lange hin und her zu schicken, bis der Weisungsrats keine Bedenken mehr äußern würde.
Koalitions-Krach im U-Ausschuss
Die Volkspartei sieht sich bereits durch den gestrigen Tag in ihrer Annahme bestätigt, Einflussnahme in der Justiz gebe es nur vom grünen Koalitionspartner, so Hanger. Dass Justizministerin Alma Zadić (Grüne) den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, per Weisung suspendiert hatte, sei "kein Ruhmesblatt", findet Hanger: Wenn 14 Tage später ein unabhängiges Gericht die Suspendierung aufhebe, sei das "peinlich", die Ministerin müsste sich eigentlich entschuldigen.
Das wollen die Grünen nicht auf sich sitzen lassen: Die "Hanger-ÖVP" schieße sich einmal mehr auf die Justiz ein - das sei gestern aber "deutlich nach hinten losgegangen", befand die grüne Fraktionsführerin Nina Tomaselli. Die Arbeit der Justiz solle gestört werden, indem das "Schutzschild der Justiz" – namentlich Alma Zadić – attackiert werde.
Tomaselli appelliert an ihre Koalitionspartner, sich auf das Wesentliche zu besinnen: Es gehe im U-Ausschuss darum, das Land "vor dem Machthunger einiger weniger zu schützen", Schlupflöcher im System zu suchen und abzudichten. "Wir müssen versuchen, das verloren gegangene Vertrauen der Bevölkerung Schritt für Schritt, Aktenzeichen für Aktenzeichen zurückzugewinnen."
FPÖ ortet zweiten "ÖVP-Zeitschinder-Tag"
Einen "zweiten ÖVP-Zeitschinder-Tag", ortet FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker. Die Volkspartei habe gestern "mehr oder weniger das schwarze System geladen, um zu beweisen, dass es kein schwarzes System gibt" – doch selbst das sei nicht gelungen. Man habe zeigen können, dass in der Justiz "jeder jeden kennt" und dann in nach außen hin unabhängigen Kommissionen sitzen würde.
Hafenecker erwähnt einmal mehr, dass der suspendierte Sektionschef Christian Pilnacek bei dem steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer für seine Frau intervenieren wollte. Als das nicht klappte, meldete er sich bei Schützenhöfers Sohn Thomas – dieser versprach, sich darum zu kümmern. Hafenecker vermutet, dass "der Herr Schützenhöfer Junior" eine Erfindung von Pilnacek ist.