"Putin rüstet Deutschland auf", titelt gewohnt zynisch die linke "tageszeitung" am Montag. Doch damit trifft sie einen Punkt. Die in Deutschland als "Zeitenwende" titulierte komplette Neuausrichtung in der Außen- und Sicherheitspolitik ist allein auf die unberechenbare Aggression des russischen Machthabers zurückzuführen. Mit 100 Milliarden Euro "Sondervermögen" soll die Bundeswehr saniert werden, das jährliche Verteidigungsbudget dem Nato-Ziel entsprechen, also mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Die bemerkenswerte Ankündigung folge der Einsicht, "dass wir uns jetzt in einer Phase befinden, in der die Verteidigungsfähigkeit der westlichen Demokratien auf neue Füße gestellt werden muss", analysiert Politikwissenschaftler Carlo Masala von der Uni der Bundeswehr im "Deutschlandfunk". Der Ukraine-Konflikt sei nur der Augenöffner gewesen, auf den aktuellen Krieg hätten die in Aussicht stehenden Milliarden noch keinen Einfluss. Eine "Aufrüstung" sei das aber keineswegs, das Investitionsvolumen versetze Deutschland nur in die Lage, voll ausgestattete und einsatzfähige Streitkräfte aufbieten zu können, so Masala.
Gleiches Ziel
Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich auch in Österreich ab. Unter allen im Parlament vertretenen Parteien herrscht seltene Einigkeit darüber, das Bundesheer besser auszustatten. In der Vorwoche fasste der Nationale Sicherheitsrat im Parlament einen entsprechenden Beschluss, auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) bekräftigte bei einer Fernseh-Diskussion am Sonntag: Die Regierung werde die Ausgaben für das Bundesheer aufstocken.
Über konkrete Summen will man im Verteidigungsministerium noch nicht sprechen. Der Nachholbedarf ist bekannt, mit 16,2 Milliarden Euro (auf zehn Jahre) bezifferte ihn im Herbst 2019 der damalige Minister Thomas Starlinger. Diese Summe gilt aber auch jetzt als unrealisierbar, ebenso die geforderte kontinuierliche Anhebung des Regelbudgets auf 5 Milliarden Euro (heuer: 2,71 Milliarden). Für größere Beschaffungen bedient man sich wie bisher Sonderfinanzierungen. Generalstabschef Robert Brieger erklärte erst vor zwei Wochen bei einem Vortrag in der Landesverteidigungsakademie, dass es angesichts geringer Mittel und der damit verbundenen Priorisierung "leider immer irgendwo Verlierer" gebe.
Zur Verliererseite zählt aktuell etwa die Fliegerabwehr, die beim Bundesheer nur noch in Restbeständen (leichte Abwehrlenkrakete Mistral) vorhanden ist. Die dringende Modernisierung wurde zugunsten der Beschaffung von 36 weiteren Pandur-Radpanzern verschoben, weil es auch im Bereich der "geschützten Mobilität" noch große Lücken gibt. Wie Brieger sagte, halte man sich aber die Option offen, "in Zukunft auch eine Fliegerabwehr in mittlerer Reichweite zu realisieren".
Wo das Bundesheer in den nächsten Jahren seine Fähigkeiten in jedem Fall ausbauen will: in der technischen Aufklärung, dem Kampf im urbanen Raum, in der Drohnenabwehr sowie in der eigenen Nutzung der Drohnentechnologie. Und bei der Cyber-Abwehr, wobei es hier weniger an Ausrüstung fehlt, als am geeigneten Fachpersonal.
Panzer bleiben
Eine "begrenzte Investition" ist laut Brieger für die beiden Panzersysteme Ulan und Leopard vorgesehen. Diese reiche zwar nicht, um die ganze Flotte zu sanieren, aber zumindest je eine Kompanie pro Bataillon auf einen technischen Stand zu bringen, der einen Fähigkeitserhalt für die nächsten zehn bis 15 Jahre gewährleiste. Danach könne man an auch ein Nachfolgemodell denken.
Und eine Erkenntnis aus der Covid-Krise: Das Bundesheer will auch wieder mehr Eigenständigkeit bei der medizinischen Versorgung erlangen, nachdem man die Militärspitäler vor Jahren komplett niedergefahren hat.