Setzen wir einmal voraus, dass die türkis-grüne Koalition das Jahr übersteht – die Zeichen dafür stehen jetzt einmal auf Stabilität, aber das kann schnell umschlagen, wie die vergangenen Jahre zeigen –, dann steht Österreich heuer nur eine Wahl von bundesweiter Relevanz bevor, die Bundespräsidentenwahl.
Ganz genau lässt sich noch nicht sagen, wann entschieden wird, wer die kommenden sechs Jahre in der Hofburg sitzen darf. Die Verfassung sieht nur so vor, dass der oder die Gewählte auf den Tag genau sechs Jahre nach der Angelobung von Amtsinhaber Alexander Van der Bellen sein Amt antreten kann – also am 26. Jänner 2023.
Ferien und Anfechtungsfristen eingerechnet geht sich das dann aus, wenn der erste Wahlgang – potenziell kann es ja eine Stichwahl geben – irgendwann zwischen September und November stattfindet. Auf eine überlange Wahl mit mehreren Ehrenrunden – die Stichwahl zwischen Van der Bellen und FPÖ-Kandidat Norbert Hofer 2016 wurde zunächst wegen Auszählfehlern annulliert, die Wiederholung dann wegen defekter Kuverts verschoben – hat niemand Lust: Bis der Sieger feststand, dauerte es damals von Ende April bis Anfang Dezember, die Amtszeit des Vorgängers Heinz Fischer war da bereits längst abgelaufen.
Van der Bellen hat es selbst in der Hand
Im Grunde genommen gibt es für die heurige Wahl nur zwei Szenarien – welches davon eintritt, hängt vor allem von Van der Bellen selbst ab. Der Amtsinhaber hat es bisher tunlich vermieden, über eine Kandidatur für eine zweite Amtszeit zu sprechen; das Motiv: Wäre schon jetzt klar, dass er abermals antritt, würden Amt und Inhaber in einen Wahlkampf hineingezogen. Während der heute 77-Jährige aber offenlässt, ob er abermals antritt oder es bei einer Amtsperiode bewenden lässt, behält er den Nimbus der Überparteilichkeit.
Das erste Szenario: Van der Bellen tritt wieder an. Weil Umfragen zufolge eine große Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher mit seiner Amtszeit während Ibiza, Regierungskrisen und Corona zufrieden ist – im letzten Sommer waren mehr als zwei Drittel für einen Wiederantritt – ist hier sehr wahrscheinlich, dass er sein Amt verteidigt und bereits im ersten Wahlgang deutlich als Sieger hervorgeht.
Dazu trägt auch bei, dass fast alle Parteien auf einen Gegenkandidaten verzichten würden: Die Grünen würden ihren ehemaligen Bundessprecher selbstverständlich noch einmal unterstützen, die Neos haben bereits angedeutet, keinen Gegenkandidaten aufzustellen.
ÖVP und SPÖ wollen das zwar formal erst entscheiden, wenn Van der Bellen entschieden hat – aber beide haben schon angedeutet, kein Interesse zu haben, einen praktisch chancenlosen Wahlkampf gegen den beliebten Professor zu führen: Der Schock von 2016, als Andreas Kohl und Rudolf Hundstorfer nur knapp zweistellige Ergebnisse erreichten und schon im ersten Wahlgang ausgeschieden sind, sitzt beiden Parteien noch in den Knochen.
Dazu kommt der Kostenfaktor: Die leeren Parteikassen noch weiter in Anspruch zu nehmen, um gegen einen Bundespräsidenten ins Feld zu ziehen, mit dem man in den vergangenen Jahren im Wesentlichen zufrieden war, ist kein allzu attraktives Szenario.
Bleibt nur die FPÖ, die in der Coronakrise immer wieder auch mit Van der Bellen über Kreuz war: Hofer könnte noch einmal antreten, auch Parteichef Herbert Kickl könnte selbst in den Ring steigen – wohl mehr, um die Stimmen der Corona-Frustrierten zu binden und der Öffentlichkeit denn realer Chancen wegen.
Spannend würde es, wenn Van der Bellen nicht mehr antritt. Der 77-Jährige soll zwar immer wieder mit dem Ruhestand geliebäugelt haben – sein Vermächtnis wäre nach den Krisen dieser Amtszeit gewährleistet –, andererseits sind auch ältere Amtsträger noch groß im Geschäft (US-Präsident Joe Biden ist 79). Als Kandidaten abseits der genannten werden unter anderen häufig die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, Ex-Höchstrichterin Irmgard Griss oder Ex-Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler genannt.
Georg Renner