Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) will einen weiteren Lockdown in Österreich in der Omikron-Welle verhindern, dies sei das "erste große Ziel" in der aktuellen Corona-Situation. Gleichzeitig betonte er im APA-Interview, er könne weder einen Lockdown noch erneutes Distance Learning ausschließen.
Mückstein verwies darauf, dass die Wahrscheinlichkeit einer Spitalsaufnahme bei der neuen Virus-Variante Omikron circa 40 bis 50 Prozent geringer sei als bei der Delta-Variante. "Wir wissen auch, dass bei Delta einer von vier mit COVID-19 Infizierten eingelieferten Patienten auf die Intensivstation gekommen ist", Bei Omikron betrage dieses Verhältnis hingegen nur 1:10. Bekannt sei auch, dass bei der Delta-Variante etwa 20 Prozent der Intensivpatienten beatmet werden mussten, bei Omikron nur zwei Prozent.
"Problem auf den Normalstationen"
"Deswegen ist der Intensivstations-Marker, wie wir ihn bis jetzt gekannt haben, nicht tauglich. Wir können nicht warten, bis die Intensivstationen so ein Problem haben, dass wir nicht mehr anders können." Denn man werde bereits vorher auf den Normalstationen und auch im niedergelassenen Bereich ein Problem bekommen - "das ist die Herausforderung". Gleichzeitig betonte Mückstein, dass aktuell - auch international - noch nicht klar sei, wie dieser Marker zu definieren ist. Es sei offen, welches Ausmaß der Auslastung an den Normalstationen zu welchen Maßnahmen führen müsse. "Das wissen wir noch nicht."
Entscheidend sei, dass die Impfung vor schweren Verläufen "nach wie vor schützt, auch bei der Omikron-Variante". "Wir wissen, dass die Impfung bei Omikron zu einer deutlich reduzierten Spitalsaufnahme und einer deutlich reduzierten Aufnahme auf Intensivstationen führt. Deswegen ist auch das Zeitfenster von wenigen Wochen, die wir jetzt noch haben, bis auch die Spitäler wieder mehr belastet werden, so wichtig, um es für die Impfung zu nützen", betonte der Gesundheitsminister. In Österreich sei es möglich, pro Tag 100.000 bis 120.000 Menschen zu impfen, das habe die Vergangenheit gezeigt. Wenn man diese Zahlen jetzt neuerlich schaffe, dann werde das "wesentlich den Verlauf der Pandemie beeinflussen".
Booster als Schutz
Auch verwies er auf den Effekt der (Booster-)Impfungen. Denn der Drittstich sei nicht nur für den Selbstschutz ausschlaggebend, sondern auch für die Weitergabe des Virus. Denn wenn ein dreifach Geimpfter eine Durchbruchsinfektion erleidet, dann sei laut aktuellen Studien die Gefahr einer Übertragung zu einem weiteren dreifach Geimpften sehr gering. Zwischen einem Geimpften und einem Ungeimpften sei die Chance hingegen hoch - "und wenn ich zwei Ungeimpfte habe, dann potenziert sich die Gefahr". Darüber hinaus seien dreifach Geimpfte auch kürzer ansteckend, betonte Mückstein.
Auch wies der Minister auf die Bedeutung der Impfung bei Kindern hin, die in Österreich seitens des Nationalen Impfgremiums derzeit ab dem Alter fünf Jahren empfohlen ist. Denn einerseits hätten Kinder als Hauptbetroffene der Einschränkungen größtes Interesse, dass die Pandemie bald endet. Andererseits bestehe auch für Kinder sehr wohl eine Gefahr durch die Erkrankung - vor allem hinsichtlich möglicher Langzeitfolgen wie Long Covid. "Ich sehe das als wirklich besorgniserregend - und da schützt die Impfung", sagte er. Auch die nun verstärkt in den Fokus gerückte Corona-Folgeerkrankung bei Kindern, das Hyperinflammationssyndrom (PIMS oder auch MIS-C genannt), zeige auf, dass keinesfalls nur Ältere von schweren Verläufen betroffen sein können.
Hilfe bei Long Covid
Long Covid sieht der Minister generell als "große Herausforderung" an. Denn rund zehn Prozent der Infizierten seien betroffen und dies sei daher "ein sehr großes Thema". "Das ist sehr wohl am Radar." Und umso mehr müsse man Hilfen anbieten. Die Diagnose sei schwierig, daher habe die Österreichische Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) federführend mit anderen Fachgesellschaften eine Leitlinie zur Diagnose erstellt. Auch wurde eine Arbeitsgruppe im Obersten Sanitätsrat eingerichtet, die u.a. noch bestehende Versorgungslücken und Probleme für die Betroffenen identifizieren soll. Und es sei ein Online-Tool für Hausärzte in Entwicklung, das bei der Diagnostik und auch beim Finden des richtigen Settings für die Behandlung unterstützen soll, so der Minister.
Möglichst verhindert werden soll laut Mückstein nicht nur ein neuerlicher Lockdown, sondern auch eine erneute Abkehr vom generellen Präsenz-Unterricht in den Schulen. Man wisse, dass die Bildungseinrichtungen Teil der Infektionsketten sind. Zum anderen wisse man, "dass Schulschließungen große Probleme machen, v.a. im psychosozialen Bereich". Er sei sich mit Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) jedenfalls einig, dass man den Präsenzunterricht möglichst lange aufrechterhalten wolle. Man habe die Schulen "maximal sicher" gemacht, betonte Mückstein mit Verweis auf die österreichweiten PCR-Testungen der Schüler zweimal pro Woche sowie den weiteren wöchentlichen Antigen-Test. Auch verwies er auf die Maskenpflicht für alle Schüler (MNS bis zur 8. Schulstufe, darüber FFP2-Pflicht) sowie die Aufforderung zum Lüften.
Pflege als großes Thema
Abseits der Pandemie will Mückstein 2022 vor allem die Pflegereform vorantreiben. Dieser Prozess sei im Laufen. Man werde etwa einen Ausbildungsfonds implementieren dafür gibt es vom Bund 50 Mio. Euro pro Jahr. Dies erfolge jetzt "eng abgestimmt wird mit den Ländern" und soll noch heuer umgesetzt werden. "Das heißt, Ziel ist es, die Kosten für die Pflegeausbildung zu mindern, die Praktika zu entlohnen." Auch verwies er auf Maßnahmen wie die Einführung der Community Nurses.
Persönlich zeigte sich Mückstein trotz der "herausfordernden Zeit" mit seinem Amt zufrieden. "Es macht Spaß, es ist ein gutes Team, mit dem ich arbeite". Auch die Zusammenarbeit in der Regierung sieht der Ressortchef positiv: Er komme "mit der pragmatischen und faktenorientierten Art des neuen Kanzlers (Karl Nehammer, ÖVP, Anm.) sehr gut" zurecht - "weil das auch meiner Art entspricht".