Tausende Menschen protestierten in Wien, Linz, Graz und Klagenfurt gegen die Impfpflicht. Für die Politik ist die Impfpflicht das letzte Mittel, für den Fall, nämlich, dass alle Appelle an die Österreicherinnen und Österreicher, sich freiwillig impfen zu lassen, nicht fruchten. Und danach sieht es im Moment aus.
Aber lassen Sie uns noch einmal einen Blick darauf werfen, wieso die Impfung als der einzige Weg aus der Pandemie erscheint. So wie es Spanien zum Beispiel gelungen ist, mit einer gewaltigen Impf-Aufholjagd die Pandemie in Schach zu halten. Oder wie es Israel gelungen ist, mit der Booster-Impfung die vierte Welle zu brechen.
Warum sollten Sie sich gegen Corona impfen lassen? Es gibt laut Expertinnen und Experten sechs gute Gründe dafür:
- Es ist weniger wahrscheinlich, dass Sie krank werden. Auf 1.000 vollständig geimpfte Personen kommen somit nur rund neun Personen mit einem Impfdurchbruch.
- Falls Sie doch krank werden, nimmt die Krankheit bei Ihnen wahrscheinlich einen weniger schweren Verlauf. Eine Auswertung am 23. November zeigte: Von 584 Intensiv-Patienten hatten 428 keinen Impfschutz.
- Es ist weniger wahrscheinlich, dass Sie an Corona sterben. Eine englische Studie berechnete das Risiko und stellte fest, dass die Wahrscheinlichkeit für Geimpfte 32-mal geringer als für Ungeimpfte ist.
- Sie schützen andere Menschen, wenn Sie erkranken, weil Sie dann weniger ansteckend sind. Dass Geimpfte weniger oft und auch kürzer (nur drei Tage lang statt sieben) ansteckend sind als Ungeimpfte, wurde ebenfalls durch eine Studie bestätigt.
- Sie schützen andere Menschen, wenn Sie nicht erkranken, weil Sie dann kein Bett im Krankenhaus, schon gar nicht eines auf der Intensivstation brauchen. Covid-Patienten treten bereits jetzt in deutliche Konkurrenz zu anderen intensivpflichtigen Patienten, wichtige Operationen müssen verschoben werden.
- Sie tragen dazu bei, dass das Virus weniger stark mutiert. Je weniger Viren zirkulieren, desto eher wird die Entwicklung von neuen Mutationen gebremst.
Die 7-Tage-Inzidenz liegt in Österreich derzeit bei 979,2. Bei den vollständig Geimpften liegt sie in der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen zum Beispiel bei rund 430, bei Ungeimpften bei rund 3.600.
Das Corona Panel der Uni Wien fragt regelmäßig die Impfbereitschaft und die Gründe dafür ab. Anfang September dieses Jahres fühlten sich Zögerliche und Nicht-Impfbereite deutlich schlechter informiert, waren nicht vollständig von der Sicherheit der Impfstoffe überzeugt, und hegten Zweifel an der Schutzwirkung.
Zur Sicherheit: Am Anfang gab es Bedenken, der Impfstoff sei nicht ausreichend erprobt. Inzwischen sind weltweit 3,36 Milliarden Leute vollständig geimpft. mRNA-Impfstoffe sind zudem nicht neu, sondern werden seit rund 20 Jahren an Menschen getestet. Die Impfung bereitet den Körper auf eine tatsächliche Infektion vor, sie verändern nicht, wie oft fälschlich behauptet, das Erbgut.
Zur Schutzwirkung: Die Zahl der Impfdurchbrüche steigt, die Daten belegen aber gleichzeitig die Schutzwirkung der Impfung.
Zu den Nebenwirkungen: Ja, Nebenwirkungen kann es geben - in aller Regel Kopfweh oder Fieber, wie bei einer leichten Grippe. Zu den schlimmsten Nebenwirkungen gehören bei den meistverwendeten Impfstoffen von Biontech und Moderna Herzmuskelentzündungen. Sie sind sehr selten: In den USA wurden von einer Krankenkasse zwei Millionen Versicherte untersucht: Auf 100.000 Geimpfte kamen 2,8 Menschen mit Herzmuskelentzündungen. Der deutsche Journalist Sascha Lobo fand dazu einen bildhaften Vergleich: "Die Wahrscheinlichkeit dafür ist also kleiner, als aus einem Skat-Kartenspiel dreimal hintereinander zufällig die exakt gleiche Karte zu ziehen." Auch Menschen mit Herz-Kreislauferkrankungen können und sollen sich impfen lassen. Auch das (seltene) Auftreten von Thrombosen sorgte für Verunsicherung. Doch das Risiko ein Blutgerinnsel zu entwickeln ist nach der Impfung geringer als nach der Infektion. Das ergab die bisher größte Untersuchung zu Impfreaktionen und -nebenwirkungen. In Österreich werden bisher zwei Todesfälle in direkten Zusammenhang mit dem Auftreten einer Thrombose nach der Impfung gebracht. Bis heute gibt es hingegen 12.349 Corona-Todesfälle in Österreich.
Zu Langzeitfolgen: Impfstoff-Expertinnen und Experten sind sich hier einig: Wenn die Impfung zu negativen Effekten führen würde, würde man diese bereits jetzt sehen. Sie können spätestens wenige Wochen nach der Impfung auftreten und nicht Jahre oder Jahrzehnte später.
Die Impfung bleibt - solange sie freiwillig ist - letztlich immer eine Frage der Nutzen-Risiko-Abschätzung. Über eines sind sich alle einig: Letztlich wird das Virus jeden erreichen. Wie es der deutsche Virologe Christian Drosten schon im Sommer formulierte: Entweder man lässt sich impfen oder man infiziert sich. Das Problem im Falle einer Infektion: Die Covid-19 ist richtig gefährlich, spätestens seit es die Delta-Variante gibt, landen sogar ganz junge Menschen auf den Intensivstationen, auch wenn die Krankheitsverläufe bei Kindern zumeist milder sind.
Covid-19 kann zu Schlaganfällen und Hirnblutungen führen, zu monatelangen Schwächezuständen ("Long-Covid"), Herzkrankheiten oder zum Tod. Betroffen von Langzeitfolgen sind auch gut trainierte und zuvor völlig gesunde Menschen. Die Folgen der neuesten Variante Omikron sind noch gar nicht abzusehen, die Mutante ist möglicherweise bereits in Österreich gelandet.
Dennoch halten sich Mythen wie jene von der Unfruchtbarkeit als Folge der Impfung hartnäckig im Netz. Weil die Sorge mit Emotionen zu tun hat, und Gerüchte, die die Emotionen befeuern, sich im Netz stärker verbreiten als die Faktenchecks. Und weil eine Partei in Österreich, die FPÖ, hartnäckig Gerüchte weiterverbreitet und Zweifel nährt.
Sprechen Sie mit Leuten, die sich bereits impfen haben lassen. Sprechen Sie mit Bekannten, die unter Corona gelitten haben. Lassen Sie sich von Ihrem Hausarzt beraten.
Claudia Gigler