Die Corona-Zahlen explodieren und haben mittlerweile erstmals den fünfstelligen Bereich erreicht. Landeshauptmann Thomas Stelzer und Landeshauptmann Wilfried Haslauer (beide ÖVP) sind nun gefragt: In Oberösterreich und Salzburg ist die Corona-Lage besonders kritisch. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein empfiehlt einen Lockdown für Ungeimpfte im Oberösterreich und Salzburg. Die Landeshauptleute wollen morgen, Donnerstag, noch einmal mit den Experten beraten, ob die Maßnahmen auch effektiv seien. Am Freitag gibt es eine weitere Videokonferenz, danach wird entschieden.
Ein Lockdown entspräche einem Vorziehen der Stufe 5 des Corona-Stufenplans. Haslauer: "Stufe 5 ist ab 30 Prozent Belegung der Intensivstationen vorgesehen, wir sind erst bei 19 Prozent." Er, Haslauer, habe Mückstein zudem angeraten, "auch wenn mir das nicht zusteht", einen allfälligen Lockdown für Ungeimpfte österreichweit zu verhängen, da das Virus nicht Halt vor Ländergrenzen mache.
"Die Virologen würden am liebsten alle Salzburger und Oberösterreicher im Zimmer einsperren", so Haslauer (mit dem Hinweis, dass er dabei "ein bisschen" übertreibe. "Nur dann würden sie eben an Depression sterben oder verhungern oder verdursten".
Kommentar
Um 16.30 Uhr trat Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) in einem Krisengipfel mit den Landeshauptleuten der beiden Länder zusammen. Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer erklärte danach, er sei jedenfalls gegen einen Lockdown für alle, denn das würde die Geimpften vor den Kopf stoßen. Geöffnet bleiben sollten für Geimpfte auf jeden Fall die Bereiche Bildung, Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie, wenn es nach ihm gehe.
Reden könne man über eine verschärfte Maskenpflicht und über sonstige Einschränkungen bei Veranstaltungen. Haslauer setzt darauf, dass die Impfrate noch erheblich verbessert werden kann, zumal die nunmehr in Form der 2G-Regel bestehenden Einschränkungen für Ungeimpfte für diese "nicht lustig" seien. "Da sehen wir jetzt Bewegung, und die wollen wir mitnehmen."
Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) sieht einen regionalen Lockdown kritisch. In seinem Bundesland stelle sich die Frage, ob die Entwicklung auf den Intensivstationen tatsächlich ein Vorziehen der Stufe 5 notwendig mache. Man habe "Gott sei Dank viele Intensivbetten", meinte der Landeshauptmann. Außerdem sei erst am Montag mit der 2G-Regel eine "sehr scharfe Maßnahme in Kraft" getreten. "Wir brauchen einen Überblick, was sie bringen", ob damit nicht die Situation in den Griff zu bekommen sei.
Kein Lockdown für alle
Einen Lockdown für alle aus Solidarität mit den Ungeimpften soll es nicht geben, sagt auch Bundeskanzler Alexander Schallenberg in einer Stellungnahme schon vor Beginn des Gipfels. Dafür wolle er "auch weiterhin kämpfen". Wenn die Entwicklung aber weitergehe, schloss er einen Lockdown für Ungeimpfte nicht aus. Diese könnten dann wie bereits in den vorhergehenden Lockdowns den Wohnbereich nur noch aus bestimmten Gründen verlassen. "Wenn die Dynamik nicht abreißt, wird es laut Stufenplan schon sehr bald soweit sein", so Schallenberg.
Darüber hinaus wolle der Kanzler über "weitere Maßnahmen" wie die Frage der Impfpflicht in gewissen Berufsgruppen diskutieren. Zudem appellierte Schallenberg neuerlich, sich so rasch wie möglich impfen zu lassen. "Völlig gleichgültig", ob es sich um den ersten, zweiten oder dritten Stich handelt.
Spitäler an Belastungsgrenze
Die Lage ist ernst. Mit den rasant steigenden Infektionszahlen und der damit verbundenen steten Zunahme an Covid-19-Patientinnen und -Patienten in den heimischen Spitälern rückt das Erreichen der systemkritischen Auslastung im intensivmedizinischen Bereich (ICU) näher. Davor warnt das Covid-19-Prognose-Konsortium in seiner am Mittwoch erstellten Kapazitätsvorschau. "Die Überschreitung der 33-prozentigen Auslastungsgrenze ist am 24. November in allen Bundesländern möglich", betonen die Experten.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die systemkritische Auslastung auf den Intensivstationen in Oberösterreich in zwei Wochen überschritten wird, liegt dem Prognose-Konsortium zufolge bei 95 Prozent. In Niederösterreich liegt sie bei 84 Prozent, in Salzburg und Vorarlberg bei jeweils 65 Prozent. Am Geringsten ist die Wahrscheinlichkeit in Kärnten und Wien mit 35 bzw. 40 Prozent.
Ärzte schlagen Alarm
Mückstein sprach nach dem heutigen Ministerrat von einer dramatischen Situation vor allem in Oberösterreich und Salzburg. Die Sieben-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner liegt in Oberösterreich bei 1.173,5, in Salzburg bei 933 (laut Morgenmeldung der Bundesländer - in der Grafik unten sind hingegen die leicht abweichenden Inzidenzen laut Ages dargestellt). "Wir müssen klar und umfassend handeln", appellierte Mückstein an die Verantwortlichen.
In manchen oberösterreichischen Krankenhäusern spitzt sich die Lage zu. Planbare Operationen müssen bereits verschoben werden, Triage und Abstriche in der Akut-Medizin drohen. Sollten die derzeit politisch getroffenen Maßnahmen nicht helfen, bliebe für Erwin Windischbauer, Geschäftsführer des stark betroffenen KH Braunau "nur mehr ein harter Lockdown".
Auch die Situation in Salzburgs Spitälern hat sich wegen steigender Corona-Neuinfektionen verschärft. Ärzte schlagen seit Tagen Alarm. Laut dem Infektiologen Richard Greil vom Uniklinikum Salzburg sollte wegen der großen Zahl an Impfdurchbrüchen die dritte Impfung in vier Wochen abgeschlossen sein. Notwendig sei auch eine "Kontaktreduktion" sowie eine FFP2-Maskenpflicht für alle und PCR-Tests für Geimpfte und Nichtgeimpfte vor allem für Berufsgruppen, die Kontakt zu Menschen haben.
Mückstein betont: "Die gute Nachricht ist, wir können alle dazu beitragen, dass sich die Diskussion entspannt." Impfen, Hygiene, Maske tragen, Abstand halten, etc. Das sei jetzt die Devise. Es gehe vor allem auch wieder darum, die Zahl der Kontakte zu reduzieren - um mindestens 30 Prozent.
In Bezug auf die Schulen könnten ab morgen, Donnerstag, viele Bundesländer erstmals in Stufe drei fallen.Die Folge wären Maskenpflicht im Unterricht in Oberstufen und der Entfall sämtlicher Schulveranstaltungen.
Impflotterie in Oberösterreich
Nach dem Burgenland hat sich nun auch Oberösterreich für eine Impflotterie entschieden, nachdem die Infektionszahlen in dem Bundesland durch die Decke gehen und die Sieben-Tage-Inzidenz am Mittwoch bei 1.173,5 lag. Am 15. November geht es mit "G'impft gewinnt" los, bisher hat die Wirtschaft 1.200 Preise gestiftet. Die ersten werden am 15. Dezember verlost, die Hauptziehung ist am 18. Jänner.
Einem Lockdown wollte Mückstein noch nicht das Wort reden: "Es kann nicht sein, dass wir die Freiheiten der Geimpften einschränken, und jene der Ungeimpften aufrecht lassen." In Bezug auf Oberösterreich und Salzburg werde am Nachmittag Tacheles geredet.
Grundsätzlich wollte Mückstein angesichts der explodieren Zahlen aber nichts mehr ausschließen. Vorerst gelte: "Wir haben konkreten und transparenten Stufenplan, gekoppelt an die Auslastung der Intensivstationen. Genau den setzen wir jetzt um."
Ludwig bringt Lockdown ins Spiel
Angesichts der weiterhin nach oben schnellenden Corona-Zahlen hat auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Mittwoch einen neuerlichen Lockdown bereits als "letzte Konsequenz" wieder ins Spiel gebracht. Es müsse "alles was nötig ist" getan und "fast alles in Kauf" genommen werden, um eine solche Situation zu verhindern, sagte Ludwig am Rande der Pressekonferenz vor der Eröffnung des 70. Städtetages in St. Pölten.
Von der Bundesregierung gefordert wurden "sehr schnelle und konsequente Maßnahmen und eine Informationskampagne, was den dritten Stich betrifft". Angesprochen auf einen sogenannten Ost-Lockdown so wie in der Osterzeit sagte der SPÖ-Politiker, gleichzeitig auch Präsident des Österreichischen Städtebundes, dass man "in einer Pandemie generell nichts zu einhundert Prozent ausschließen" könne.
"Zahlen steigen österreichweit"
"Die Zahlen steigen in außerordentlichem Ausmaß, regional unterschiedlich, aber österreichweit", konstatierte Ludwig, nachdem am Mittwoch mit 11.398 Neuinfektionen ein Allzeit-Hoch erreicht worden war. Ihn begleite die Sorge, dass gerade in stark betroffenen Bundesländern etwa "auch der Tourismus leiden wird".
Impfdosen seien in Österreich "Gott sei Dank" ausreichend vorhanden,so Mückstein. 4,5 Millionen Dosen lägen auf Lager. Die Maßnahmen für die Ungeimpften seien seit Montag in Kraft und begännen bereits zu wirken.
Es gehe darum, alles daran zu setzen, die Impfquoten zu erhöhen. Der Unterschied von zehn bis zwölf Prozentpunkten zwischen den einzelnen Bundesländern sei nicht nachzuvollziehen, auch nicht der Impfstopp übers Wochenende.
Claudia Gigler