Alle Parlamentsparteien sprechen sich für ein höheres Arbeitslosengeld zu Beginn der Arbeitslosigkeit aus, wie die Sozialsprecher der fünf Fraktionen nach einem Gespräch mit Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) am Dienstag sagten. Kocher will das Arbeitslosengeld bis Anfang nächstes Jahres reformieren. Zur Debatte steht damit, dass es mit Dauer der Arbeitslosigkeit sinkt. Es gehe um ein Gesamtpaket, so Kocher am Dienstag. Die Details sind noch offen.
Für Kocher gibt es bei einer Reform der Arbeitslosenversicherung mehrere Stellschrauben. Neben der Höhe des Arbeitslosengeldes gehe es auch um Zuverdienstgrenzen, Zumutbarkeitsbestimmungen und die aktive Arbeitsmarktpolitik. Ziel sei es, so Kocher, das Einkommen besser abzusichern und die Menschen wieder rasch in Jobs zu bringen.
SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch forderte eine Erhöhung der Nettoersatzrate auf 70 Prozent zu Beginn. Gleichzeitig dürften Versicherungsleistungen nicht gekürzt oder befristet werden. Derzeit beträgt das Arbeitslosengeld 55 Prozent des letzten Nettogehalts.
FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch sprach sich dafür aus, dass die Notstandshilfe jedenfalls unbefristet bleiben muss. Den Blauen sei wichtig, zu differenzieren, ob jemand aufgrund von Alter oder Krankheit arbeitslos geworden sei oder tatsächlich arbeitsunwillig sei.
ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger bestätigte, dass in der Regierung mit den Grünen ein degressives Modell erwägt werde. Der grüne Sozialsprecher Markus Koza stellte aber klar, dass es keine Kürzung der Arbeitslosenhilfe und der Mindestsicherung geben dürfe, da Arbeitslose schon jetzt stark armutsgefährdet seien. Man brauche einen Umbau des Arbeitsmarkts, um die Digitalisierung und Dekarbonisierung der Wirtschaft zu meistern.
NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker sieht die Standpunkte seiner Partei "Kilometer" entfernt von denen der übrigen Fraktionen. Angesichts vieler offener Stellen lehnt Loacker ein höheres Arbeitslosengeld ab. Die Arbeitskosten in Österreich seien ebenso wie das System zu teuer, so Loacker. Gegenüber der APA ergänzte Loacker, dass man sich sehr wohl ein anfangs höheres Arbeitslosengeld vorstellen kann, aber nur, wenn dieses dann später unter das aktuelle Niveau sinkt.
Die Langzeitarbeitslosigkeit hat in der Coronakrise stark zugenommen und geht nur langsam zurück. Jeder vierte (24,3 Prozent) aller beim AMS arbeitslos Registrierten war Ende Oktober langzeitarbeitslos, also über ein Jahr durchgehend ohne längere Unterbrechung, etwa durch Schulung, ohne Job. Nach der Definition Langzeitbeschäftigungslosigkeit, wo bis zu zweimonatige Unterbrechungen möglich sind, waren sogar vier von zehn Personen (42,5 Prozent) bereits über ein Jahr ohne Job.
Die als "Programm Sprungbrett" bezeichnete und seit 1. Juli 2021 laufende Beschäftigungsoffensive und der derzeit zu beobachtende Wirtschaftsaufschwung tragen zu einer deutlichen Reduktion der Zahl der Langzeitarbeitslosen und Langzeitbeschäftigungslosen. So ging der Bestand der Langzeitarbeitslosen seit dem Höchststand von Ende März 2021 (rund 97.800 Personen) um mehr als 32.000 Personen zurück, die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen verringerte sich seit April 2021 (Höchststand rund 148.400) um knapp 34.000 Personen.