Die deutschen Grünen haben für Koalitionsverhandlungen mit der SPD und der FDP gestimmt. Bei einem kleinen Parteitag votierten die Delegierten am Sonntag in Berlin mit großer Mehrheit für die Aufnahme der Gespräche zur Bildung einer gemeinsamen deutschen Bundesregierung. Von nach Parteiangaben 70 stimmberechtigten Delegierten stimmten zwei mit Nein, es gab eine Enthaltung. Damit steht nur noch die Zustimmung der FDP-Führung am Montag aus.
Es wird erwartet, dass die zuständigen Gremien der Liberalen mitziehen und damit Koalitionsverhandlungen ermöglichen. FDP-Generalsekretär Volker Wissing sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, sollten die Gremien zustimmen, "liegen Berge an politischer Arbeit vor uns". Darauf müsse die Konzentration gerichtet werden.
Der SPD-Vorstand hatte bereits am Freitag den Weg für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen freigemacht. Die Sozialdemokraten würden in dem Bündnis mit Olaf Scholz den Kanzler stellen. Er strebt an, dass die Regierung vor Weihnachten steht. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner kündigte an, dass es nun zügig weitergehe. Erste Gespräche könnten in einigen Tagen beginnen.
"Grüne Geschichte"
Vor der Abstimmung am Sonntag beim kleinen Parteitag der Grünen in der deutschen Hauptstadt hatten Parteichef Robert Habeck und andere Mitglieder des Grünen-Sondierungsteams die Delegierten auf eine künftige Regierungsbeteiligung eingeschworen. "Wir werden Treiberin großer Transformationsaufgaben sein", sagte Habeck, der um ein Mandat für eine "Fortschrittsregierung" bat. Seine Partei stehe kurz davor, zum zweiten Mal Teil einer Bundesregierung zu werden. "Es ist tatsächlich so, dass wir gerade ein Stück weit grüne Geschichte schreiben."
Habeck betonte den Machtwillen der Grünen nach Jahren in der Opposition. Die Partei müsse nun beweisen, dass sie reif dafür sei, Regierungsverantwortung zu übernehmen. "Wir kommen aus der Defensive in die Gestaltung, in die Offensive." Die Grünen könnten nun mitgestalten. "Wir wollen diese Verantwortung", betonte Habeck. "Wir wollen die Wirklichkeit gestalten."
Kaum Kritik
Das sah die Mehrheit der Delegierten auf dem Parteitag ganz offenbar ähnlich. Harsche Kritik war kaum zu hören. Mehrere Delegierte mahnten jedoch an, dass in den nun bevorstehenden Koalitionsverhandlungen noch wichtige Details zu klären seien.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock erhielt insbesondere für die im Sondierungspapier festgehaltenen Klimaschutz-Vorhaben Applaus. In den Koalitionsverhandlungen stünde aber auch noch einiges an Arbeit an, erklärte Baerbock, die ankündigte, dass die europäische Außenpolitik eine große Rolle in den Verhandlungen spielen werde.
Regierung von Weihnachten
Während Sondierungsverhandlungen der noch unverbindlichen Erkundung von Gemeinsamkeiten und Differenzen dienen, haben die Partner bei Koalitionsgesprächen eine gemeinsame Regierung schon fest im Blick. Über den Koalitionsvertrag wollen die Grünen ihre Mitglieder in einer Urabstimmung entscheiden lassen. Erklärtes Ziel ist eine Regierungsbildung vor Weihnachten.
Unterdessen mehren sich bei den Grünen die Stimmen, das Finanzministerium nicht kampflos der FDP zu überlassen. Es müsse jetzt darum gehen, Spielräume innerhalb der Schuldenbremse zu nutzen und mit der Bekämpfung von Geldwäsche sowie Steuerhinterziehung und Steuervermeidung neue Spielräume zu schaffen, urgierte der Finanzpolitiker Sven Giegold. "Die Finanzquellen werden wir nur erschließen, wenn wir die Umsetzung dieser Maßnahmen selbst in die Hand nehmen. Wir dürfen nach schweren Kompromissen in der Steuerpolitik nicht auch noch die Umsetzung der vereinbarten Finanzpolitik opfern", forderte Giegold am Sonntag in Berlin.
"Kein Linksdrift"
FDP-Chef Christian Lindner sieht seine Partei in einer möglichen Ampel-Koalition in einer besonderen Verantwortung. In einem Beitrag für die Montagsausgabe der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schrieb Lindner, im Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP sei festgehalten, dass eine neue Regierung auch für diejenigen da sein solle, die ihr nicht die Stimme gegeben hätten. Bereits im Wahlkampf habe die FDP klar gemacht, dass es mit ihr "keinen Linksdrift" geben werde. Auch viele Punkte im Sondierungspapier zeigten: "Wir als Freie Demokraten bleiben der Anwalt und der Ansprechpartner der bürgerlichen Mitte in Deutschland." "Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft und Chancengerechtigkeit bleiben die Maßstäbe unseres Handelns", so Lindner weiter.