Der Pionier: Die Universität Graz
Am Anfang stand das „Referenzbudget“: Über mehrere Jahre hinweg wurde die Treibhausgas-Bilanz ermittelt und daraus ein Durchschnittswert als Startbasis ermittelt: rund 18.500 Tonnen CO2-Äquivalente kamen dabei heraus.
Bis zum Jahr 2030 will die Universität Graz mit geeigneten Maßnahmen ihre Emissionen bereits um zwei Drittel reduziert haben, um bis 2040 echte Klimaneutralität zu erreichen, die nach dem Carbon Management-Standard mindestens 90 Prozent eigenen Emissionsabbau erfordert.
Als erstes ging es um „niedrig hängende Früchte“: Wo ist rasch ein hoher Effekt zu erwarten? Im Fall der Uni Graz war das der Energiebereich – allein für Energie in Form von Elektrizität und Wärme für die vielen Gebäude machten die Treibhausgas-Emissionen 12.000 Tonnen, rund zwei Drittel, aus. Es lag also nahe, hier anzusetzen. Die Maßnahme: Die Umstellung des gesamten Strom-Zukaufs auf zertifizierten grünen Strom („Umweltzeichen 46 –UZ46 Strom“). Der Effekt: Eine Reduktion um rund 4.000 Tonnen dadurch bereits ganz zu Beginn.
Und wie sieht es aus mit den Kosten? Vorübergehend können durch Verträge und Investitionen auch höhere Kosten entstehen, räumt Gottfried Kirchengast ein, gemeinsam mit Julia Danzer und Stefanie Hölbling vom Grazer Wegener Institut Autor des Konzepts. Aber durch Dachfotovoltaik und andere Maßnahmen amortisiert sich das rasch. Dass fossile Energiequellen durch die Umsetzung von CO2-Bepreisung über die Jahre weiter teurer werden, ist da noch nicht eingerechnet. „Wir fahren schon jetzt ökonomisch besser als vorher.“
Schwieriger ist es bei der Wärme: Da gibt es Langfristverträge, auch angemietete Gebäude, die mit Gas versorgt werden – manches ist nicht von einem Tag auf den anderen zu ändern. Hier ist der Weg das Ziel, die Suche nach Alternativen, das längerfristige Vorbereiten der Änderungen. Gottfried Kirchengast: „Fast jedes Unternehmen hat „niedrig hängende Früchte“ und fast jedes auch systemische Abhängigkeiten. Aber Erfolge sind überall zu erzielen, bei manchen geht es zunächst nur um richtige Weichenstellungen.“
Mehr als ein Viertel (ca. 5.000 Tonnen) des CO2-Ausstoßes entfällt im Bereich der Uni Graz auf die Mobilität, dabei vor allem auf die internationalen Dienstreisen. „Ein Flug ins benachbarte Ausland verursacht dabei beispielsweise etwa zehn Mal so viel CO2 wie eine Zugfahrt derselben Streckenlänge“, erklärt Kirchengast. Es lag also nahe, als nächstes im Bereich Mobilität anzusetzen.
Wenn ein Mitarbeiter in Zukunft eine Reise bucht, ist der CO2-Output schon im Reiseworkflow integriert: Der Mitarbeiter erfährt, wie hoch die Emissionsbelastung wäre, welche Alternativen es gäbe, und wie der Preis dafür ausschaut.
Als Teil des Monitorings werden die Daten anonymisiert bearbeitet. Es ist ersichtlich, wieviel CO2 bereits eingespart wurde und welche Maßnahmen besonders wirksam waren. Gerade bei der Mobilität braucht es die Mitwirkung aller, und es gibt Anreize, beispielsweise grünes Licht für die 1. Klasse im Zug, wenn dadurch ein Flug vermieden wird oder die Möglichkeit, günstige Verbundtickets auch privat zu nutzen.
Der eigens konstituierte Klimaschutzbeirat sorgt für Einbindung und Transparenz – und dafür, dass die Ergebnisse auch intern wie extern bekannt werden, etwa im Wege der Verleihung eines Klimaschutzpreises für die erfolgreichsten Abteilungen.
Die nächsten Partner: Firmen und Institutionen
Jetzt geht man auf Firmen und Institutionen zu, um sie bei der Implementierung des systematischen Carbon Managements gern zu unterstützen. Derzeit gibt es einen Ansprechpartner, Harald Stelzer, mit einem kleinen Team. Das Erstgespräch dient dazu, abzuschätzen, wie komplex oder einfach die Lage ist, ob intern Klimaschutz-Expertise vorhanden oder in höherem Ausmaß Begleitung durch externe Experten erforderlich ist.
Danach werden die Daten für das Referenzbudget erhoben und Treibhausgas-Budget und Zielpfad fixiert. Es sind bereits mehrere Unternehmen und andere Institutionen in der Startphase. Es gibt überall schnell zu erreichende Erfolge und systemische Probleme, bei denen es länger dauert. Das Team ist dabei, sich zu vergrößern, vermutlich im Wege eines Spin Offs, um den Wissenstransfer von der Uni in Richtung Wirtschaft und Institutionen weiter zu professionalisieren.
Firmen & Förderungen
Wünschenswert wäre für Kirchengast, dass im Wege des Klimaschutzgesetzes 2030 und der folgenden Detailgesetze sichergestellt wird, dass es öffentliche Förderungen ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch für Unternehmen gibt, „die nach einem ernsthaften Carbon-Management-Standard zertifiziert“ sind. „In Zusammenhang mit dem Europäischen Green Deal können wir es uns nicht leisten, bei der Vergabe der großzügigen Klimaschutzgelder, die es geben wird, nicht genau auf die Wirksamkeit hinzuschauen.“
Voraussetzung für effizientes Carbon Management auf staatlicher Ebene, für die Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele, wäre im Übrigen, dass sich die verschiedenen staatlichen Ebenen besser und schneller koordinieren, begleitet auch vom Umweltbundesamt, sodass Daten früher zur Verfügung stehen – die schlechte bisherige Abstimmung hat auch der Rechnungshof massiv kritisiert. Kirchengast schwebt eine quartalsmäßige Rückmeldung vor, samt Prognose für das darauffolgende Quartal. „Die Erfolge der Klimapolitik, oder auch nötige Verbesserungen, werden damit rasch messbar und wirksamer unterstützt.“
Das nächste Ziel: Die App für jedermann
Die Methoden sind da, die Zahlen greifbar. Was fehlt, ist die Kompetenz von Otto Normalverbraucher, damit auch jeder einzelne an sich selbst Maß nehmen und seinen persönlichen Fortschritt messen kann.
Kirchengast selbst orientiert sich seit dem Jahr 2016 am simplen Prinzip „Verbrauch die Hälfte“, aber wirksames persönliches Carbon Management wäre auch für Einzelne oder kleine Gruppen von Menschen denkbar, wenn das Konzept in eine geeignete App übersetzt würde.
Kirchengast: „Wir würden das seitens der Uni Graz auch sehr unterstützen. “Das Wegener Center der Uni Graz und Partner stellen das nötige Know-how bereit, auf unsere Kompetenz und Integrität können sich die Menschen verlassen.“ Man arbeitet noch auf „das richtige Start-Up“ hin – ein junges Unternehmen, das sich dem Ziel verschreibt, vielen Millionen Menschen einen ernsthaften und erfolgreichen Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele zu ermöglichen.
Claudia Gigler