Ein Aufatmen geht durch Österreich: Normal ist noch lange nix, aber ein bissl so wie früher: Das Gasthaus, das Kino, der Sport sind wieder möglich. Und auch die Omi im Altersheim darf wieder von drei Personen gleichzeitig besucht werden.
Die Zahlen sind gut. Die Stimmung hoffentlich nicht zu gut: Eine Öffnung mit angezogener Handbremse ist es - der Karren soll ins Rollen gebracht werden, aber nicht bis zum nächsten Abgrund rutschen.
Der Abgrund ist nahe, und das bleibt so. Die Erfahrungen der vergangenen Monate haben uns gelehrt, dass ein Absinken der Zahlen nicht unumkehrbar ist, dass wenig Vorsicht und viel Sorglosigkeit innerhalb kürzester Zeit wieder zum Anstieg führen. Das gilt sowohl für das Verhalten der Menschen als auch für die Maßnahmen der Politik: Im letzten Sommer wurde viel Vorsprung dadurch verspielt, dass nichts oder zu wenig getan wurde, um sich auf unwillkommene aber erwartbare Krisenszenarien vorzubereiten.
Mehrere Faktoren wirken diesmal einer neuerlichen Welle von Corona-Infektionen entgegen: Der ansteigende Grad der Immunisierung durch bereits erfolgte und überstandene Erkrankungen und durch die Impfung sind die beiden wichtigsten, der Anstieg der Temperaturen durch das Näherrücken des Sommers eine nicht zu vernachlässigende Begleiterscheinung.
Dennoch: Die Corona-Party, die Rudelbildung, der Rückkehr zur Bussi-Bussi-Gesellschaft bleiben Gift für unsere sich erst langsam wieder erholende Gesellschaft.
Es braucht den gesunden Menschenverstand, mehr denn je. Die Regeln sind klar: Mehr Freiheit im Freien, ein engeres Korsett nach wie vor in geschlossenen Räumen.
Jetzt ist Solidarität gefragt, ebenfalls mehr denn je: Ob es bei der Öffnung bleibt, ob die Zahl der Infektionen begrenzt werden kann, ob Österreichs Wirtschaft eine Chance erhält, sich zu regenerieren, hängt von jedem einzelnen ab.
Die Zutrittsbedingungen werden die Zahl der Impfwilligen steigern, mit Ende Juni sollen fünf Millionen Österreicherinnen und Österreicher erstgeimpft sein. Und jedem, der mit Stolz geschwellter Brust sagt: "Ich lass mich nicht impfen, ich fürchte mich nicht" sei gesagt: Dazu braucht es nicht viel Mut, denn die anderen schützen ihn ja, jene, die sich impfen lassen. Und es ist ein Akt der Solidarität, zur daraus entstehenden Herdenimmunität beizutragen anstatt andere Personen, jene die vielleicht nicht geimpft werden können oder durch andere Krankheiten auch mit Impfung noch einem höheren Risiko ausgesetzt sind, zu gefährden.
Claudia Gigler