Die Regierung rüstet zum Plan für den Wiederaufbau Österreichs nach der Corona-Krise. AK-Wirtschaftswissenschaftler Markus Marterbauer wundert im Gespräch mit der Kleinen Zeitung das schleppende Tempo: „Wir sind im 13. Monat der Krise, und jetzt erst wird angekündigt, dass ein Plan entsteht.“ Die AK habe schon im Mai vergangenen Jahres ein Konzept für „initiatives Investieren“ vorgelegt, bestehend aus drei Säulen:
Zum einen gehe es dabei um die Einkommenssicherung für jene, die arbeitslos sind oder wenig Einkommen haben, etwa kleine Selbständige, um deren Abrutschen in die Armut zu verhindern.
Zum zweiten gehe es um die Qualifizierung: In Branchen wie etwa dem Tourismus werde die Beschäftigtenzahl von 2019, dem Jahr vor der Krise, nicht mehr erreicht werden können. „Da züchten wir uns eine strukturelle Arbeitslosigkeit, wenn wir die Leute nicht umschulen“.
Und zum dritten gehe es um Investitionen im klassischen Sinn. Das Problem dabei: Die großen Investoren im Bereich der Infrastruktur seien die Städte und Gemeinden, doch denen gehe wegen geringerer Steuereinnahmen das Geld aus, sie müssten aber ausgeglichen finanzieren. „Im Jahr 2020 haben die ihre Investitionen schon um ein Viertel gekürzt“.
Sozialpartner stehen bereit
ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian mahnte mehrfach die Einbindung der Sozialpartner ein, ohne den gewünschten Erfolg. Die Gewerkschaft fordert außerdem einen „Comeback-Beteiligungsfonds“, um der drohenden Pleitewelle entgegenzuwirken. Der ÖGB habe schon im Vorjahr ein Arbeitsmarkt-Programm präsentiert, mit dem 150.000 Arbeitsplätze geschaffen werden könnten, heißt es aus der ÖGB-Spitze.
Mit dem Vorhaben, Österreich „neu zu starten“, renne der Kanzler bei der Arbeitnehmervertretung „offene Türen“ ein, sagt auch der Direktor der Wiener Arbeiterkammer, Christoph Klein. „Wir müssen investieren, auf Teufel komm raus, und zwar genau in den Feldern, wo das auch ohne Krise notwendig wäre“. Klimatechnologie, Digitalisierung und Beschäftigungsoffensive – das seien die drei großen Hoffnungsgebiete, auch für Gewerkschaft und AK.
Billiges Geld
Erleichtert werde das alles durch im Moment „unglaublich billiges Geld“, den Umstand also, dass das Geldaufnehmen der Republik derzeit Negativzinsen bringe, „der Staat verdient also sogar noch daran“.
Das entscheidende sei aber, dass Investitionen nicht genügen, sondern es brauche eine Arbeitsmarktpolitik, die die Menschen ohne Arbeit, insbesondere die Langzeitarbeitslosen, für jene Felder qualifiziere, in denen Arbeitskräfte zunehmend gesucht werden. „Das sind halt meistens nicht die, die digital am fittesten, körperlich am gesündesten und dazu noch ganz jung sind.“
Der Schulterschluss
Ein Schulterschluss zwischen Regierung und Sozialpartnern wäre notwendig, so Klein, und eine Partnerschaft mit Kommunen und Ländern, denn dort spielten sich die Investitionen in die Infrastruktur tatsächlich ab. Diesen Schulterschluss sehe er noch nicht, aber man habe die eigenen Vorschläge deponiert. „Seitdem läuft es für uns eher in einer ‚black box‘ weiter, nach vielen freundlichen Worten ist wenig passiert.“
Zum Teil liegt es auch an der gemeinsamen Sprache. Mit der Abkehr vom Kern-Mitterlehner-Plan ("Aktion 20.000") unter Schwarz-Blau wurde viel Erde verbrannt. Marterbauer: "Allen ist klar, dass man für die Langzeitarbeitslosen irgendeine Form der Beschäftigung braucht, aber es darf offenbar auf keinen Fall an das damalige Maßnahmenpaket erinnern."
Ganz zu schweigen von noch länger zurückliegenden Zeiten, etwa unter SPÖ-Sozialminister Alfred Dallinger: "Im Zuge vergangener Krisen war man einfach bereit, vieles auszuprobieren." Das sei heute nicht der Fall.
Immerhin: Mit der Kurzarbeit sei rasch ein Instrument umgesetzt worden, das zur Stabilisierung in Corona-Zeiten beigetragen habe. Im Schulterschluss zwischen Regierung und Sozialpartnern. Daran solle man jetzt wieder anschließen, wünschen sich die Arbeitnehmervertreter.
Claudia Gigler