Auf die Frage, ob Präparate etwa aus Russland oder China dazu beitragen könnten, bis zum Sommer 70 Prozent der Erwachsenen in der EU zu impfen, schrieb der Impfstoff-Beauftragten der EU-Kommission, Thierry Breton am Donnerstag in einem Blog-Eintrag: "Ich fürchte, die Antwort ist nein."
Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kündigte am Donnerstag gleichwohl bilaterale Gespräche mit Russland über eventuelle Sputnik-Lieferungen an. Dabei betonte er jedoch: "Um wirklich einen Unterschied zu machen in unserer aktuellen Lage, müsste die Lieferung schon in den nächsten zwei bis vier, fünf Monaten kommen - ansonsten haben wir so oder so mehr als genug Impfstoff." Bisher hatte Deutschland bei der Impfstoffbeschaffung auf die EU-Ebene gesetzt. Noch Ende März hieß es mit Blick auf Sputnik aus Regierungskreisen: "Wir sind der Meinung, dass das wieder über das europäische System erfolgen soll." Man habe die EU-Kommission dazu aufgefordert, sich dieser Frage anzunehmen.
Engpass bei AstraZeneca
Allerdings dürfte sich die Auslieferung des Impfstoffs von AstraZeneca neuerlich verzögern: Wien wurde mitgeteilt, dass weitere mehr als 30.000 Impfdosen verzögert eintreffen dürften und ist erzürnt. Der Bund habe dies in einem lapidaren Mail mitgeteilt. Wenig später war klar: Diese Woche gibt es einen Totalausfall der AstraZeneca-Lieferungen.
Diese Woche ist überhaupt kein Impfstoff des schwedisch-britischen Herstellers in Österreich eingetroffen. Die für die Kalenderwoche 14 (5. bis 11. April) angekündigten 5.090 Ampullen werden nun erst in der Kalenderwoche 15 (12. bis 18. April) erwartet. Überdies werden nur 2.640 Phiolen geliefert - fast um die Hälfte weniger als versprochen.
An der Qualität von AstraZeneca gibt es indes keine Zweifel. Bund und Länder einigten sich am Donnerstag auf die unveränderte Fortsetzung des Impfplans. Der Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca sei "ein guter Impfstoff, den wir brauchen", sagte die Direktorin für die Öffentliche Gesundheit, Katharina Reich, im ORF-Morgenjournal. Das Bild des Vakzins nach außen habe allerdings leider "wirklich gelitten", räumte die Vertreterin des Nationalen Impfgremiums (NIG) ein. Das Gremium spricht sich weiterhin für die uneingeschränkte Verwendung gemäß dem heimischen Impfprogramm aus.
Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hatte zuvor einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und sehr seltenen Thrombose-Fällen festgestellt. Im Kampf gegen die Pandemie überwiege dennoch der Nutzen die Risiken.
Ein Verzicht auf den Impfstoff - der einen wichtigen Bestandteil des österreichischen Impfprogramms darstellt - oder eine Einschränkung auf bestimmte Personengruppen hätten "eine komplette Umstellung dieses Impfplans zur Folge", wodurch "sich ganz sicher Verzögerungen ergeben würden", und "Verzögerungen können wir uns alle, egal, wie viel Impfstoff da ist, derzeit nicht leisten", betonte Reich.
Neuproduktion dauert lange
Breton betonte nun, dass er zwar keinen Grund habe, an der Effektivität, Sicherheit und Qualität jener Impfstoffe zu zweifeln, die außerhalb der EU entwickelt worden seien, etwa Sputnik-V. Dies zu bewerten sei jedoch Sache der EU-Arzneimittelbehörde EMA. Jedes Unternehmen, das einen neuen Impfstoff produzieren wolle, brauche aber mindestens zehn Monate. Deshalb müsse man sich auf die Produktion jener Impfstoffe konzentrieren, die in der EU bereits zugelassen oder kurz davor sind.
Die EMA hatte Anfang März ein Prüfverfahren für Sputnik V im Rahmen einer Rolling Review begonnen. Dabei werden Testergebnisse bereits geprüft, auch wenn noch nicht alle Daten vorliegen und noch kein Zulassungsantrag gestellt wurde.
Breton zeigte sich jedoch optimistisch, dass es auch ohne Impfstoffe wie Sputnik V bis Ende Juni genügend Dosen in der EU gibt, um etwa 70 Prozent der Erwachsenen zu impfen. Im ersten Quartal seien 108 Millionen Dosen geliefert worden, für das zweite Quartal rechne er mit 360 Millionen weiteren. Die EU-Staaten müssten Massen-Impfungen und Kampagnen organisieren, um die Bürger davon zu überzeugen, sich impfen zu lassen. Er sei optimistisch, dass es bald etwas Normalität geben werde und die Europäer einen Sommer ähnlich wie im vergangenen Jahr erleben würden.