Brachte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) in seiner ersten Befragung im Ibiza-Untersuchungsausschuss die Opposition noch mit Erinnerungslücken auf die Palme, sind es am Mittwoch zahlreiche Entschlagungen gewesen. Vor allem die kürzlich öffentlich gewordenen Chats mit dem Chef der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG standen diesmal im Mittelpunkt der Befragung. Es handle sich um "saloppe" Formulierungen zwischen guten Bekannten, rechtfertigte sich Blümel.
Die Aufregung um die Chats, in denen es auch um die ÖBAG ging, konnte Blümel nur zum Teil nachvollziehen, wie er sagte. Er sei sich sicher, dass schon jeder Mensch einmal Nachrichten geschrieben habe, die er im Nachhinein nicht mehr schreiben oder anders formulieren würde, vor allem wenn dies aus Emotionen heraus geschehen sei. Das gelte umso mehr, wenn man jemanden schon lange kenne.
Auch im Fall von Thomas Schmid, der vor seinem Aufstieg in den ÖBAG-Chefsessel Generalsekretär im Finanzministerium war, ist dies laut Blümel der Fall. "SchmidAG fertig!", lautete die Nachricht Blümels an diesen, als das dazugehörige Gesetz das Parlament passierte. Blümel verwies auf die federführende Rolle Schmids bei dem Projekt und meinte, es handle sich schlicht um "eine saloppe Formulierung zwischen Personen, die sich lange und gut kennen". Wie auch bei weiteren, ähnlichen Nachrichten ("Du bist Familie").
Proporz weder verwerflich noch ungesetztlich
Auch generell meinte Blümel auf Fragen zu Postenbesetzungen, dass die Bundesregierung freilich Personalentscheidungen treffe - auch, wenn man formal gar nicht zuständig ist. Dass der Aufsichtsrat in türkis-blauen Zeiten proporzhaft besetzt gewesen sei, sei "weder verwerflich, noch ungesetzlich". Und in Erinnerung an seine erinnerungswürdige Erstbefragung im U-Ausschuss betonte Blümel ein weiteres Mal: "Nein, ich habe keinen dienstlichen Laptop."
Entschlagung statt Erinnerungslücken
Von der Opposition befürchtetes vermehrtes Auftreten von Erinnerungslücken gab es bei Blümels Zweitbefragung nicht. Dafür machte er ausgiebig von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch, werde er in der Causa rund um die Casinos Austria doch als beschuldigter geführt. Dies führte zu vermehrtem Geplänkel zwischen den Fraktionen und Geschäftsordnungsdebatten, was Blümels Befragung in die Länge zog.
Thema bei Blümels fünf Stunden dauernden Befragung im Ibiza-Untersuchungsausschuss war auch der Wortwechsel via Chat zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Schmid über ein Treffen mit der katholischen Bischofskonferenz, in dem Schmid bei Steuerprivilegien "Vollgas" geben sollte. Die ÖVP-Fraktion bezweifelte, dass das Thema überhaupt in den Ausschuss gehörte, was wieder zu Unterbrechungen führte. Blümel konnte aber ohnehin nicht viel zum Komplex beitragen, schloss aber nicht aus, dass man auch mit anderen Religionsgemeinschaften darüber gesprochen habe.
Abwesend nach Skiunfall
Interna beschäftigen den Ausschuss auch am Rande von Blümels Befragung. Da sich ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl nach einem Skiunfall eine Muskelverletzung zugezogen hatte, springt für ihn Andreas Hanger ein - der zuvor mehrmals Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) als Ausschussvorsitzender vertreten hatte. Die Rochade sorgte für oppositionelle Häme. SPÖ-Fraktionsvorsitzender Jan Krainer sieht den Ausschuss nun "fest in niederösterreichischer Sobotka-Hand".
Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) saht in den öffentlich gewordenen Chats mit Thomas Schmid zur staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG nichts Außergewöhnliches. Es handle sich um "saloppe" Formulierungen zwischen zwei Menschen, die sich schon lange kennen. "Wenn einzelne Nachrichten sowohl zeitlich als auch inhaltlich aus dem Zusammenhang gerissen vorgelegt werden, dann kann das irritierend wirken und Aufregung verursachen", sagte der Finanzminister in seinem Eingangsstatement.
Neuerlich holte Blümel die Opposition ins Boot und erinnerte an einen deftigen Sager der NEOS-Abgeordneten Stephanie Krisper im U-Ausschuss. "Dass nun gerade Abgeordnete, die in den letzten Jahren offiziell stets für Datenschutz und Persönlichkeitsrechte eingetreten sind, sich nun an persönlichen Nachrichten delektieren und diese genüsslich kommentieren, ist eigentlich entlarvend."
"Weder verwerflich, noch ungesetzlich"
Zu Personalien - es geht heute ja auch um jene seines Vertrauten und nunmehr scheidenden ÖBAG-Chefs, Thomas Schmid- sagte Blümel grundsätzlich und ohne diesen zu erwähnen, dass die Bundesregierung freilich Personalentscheidungen treffe. "Manchmal diskutiert man über Personalia auch, wenn man formal nicht zuständig ist", so Blümel wohl bezogen auf die Staatsholding, wo dies formell eben der Fall ist und der dortige Aufsichtsrat die Personalentscheidung trifft. Der Aufsichtsrat wurde allerdings in türkis-blauen Zeiten proporzhaft besetzt. "Das ist weder verwerflich, noch ungesetzlich." "Du bist Familie" und "Schmid-AG fertig" soll Blümel an Schmid getextet haben.
Wesentlich sei "für uns bei Personalentscheidungen immer, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden, die Person qualifiziert ist und dass die Letztverantwortung bei den zuständigen Organen liegt".
Noch immer kein Laptop
"Nein, ich habe keinen dienstlichen Laptop", sagte Blümel zu einer zuletzt häufig aufgebrachten Frage zu seiner Arbeitsweise. Auch andere jetzige und ehemalige Regierungspolitiker hätten keinen. "Wenn ich beispielsweise größere Reden überarbeite, dann benutze ich ab und zu einen Laptop meiner Mitarbeiter." Und: "Ja, meine Frau besitzt einen Laptop. Sie nimmt ihn auch manchmal mit, wenn sie das Haus verlässt. Denn dafür ist ein Laptop gemacht. Das unterscheidet ihn von einem Stand PC." Das tue sie auch ohne Kinderwagen, spielte Blümel auf Vermutungen an, seine Frau habe einen Laptop damit aus ihrer gemeinsamen Wohnung gebracht. "Ich selbst habe die Staatsanwaltschaft darauf hingewiesen, dass es dieses Gerät gibt und dass wir diesen auch gemeinsam nutzen."
Kein Geld von Novomatic und Co.
Blümel betonte einmal mehr, dass im Zuge des Spendensammelns für die angestrebte Obmannschaft von Sebastian Kurz bei der ÖVP jedenfalls keine Gelder von Glücksspielunternehmen wie der Novomatic, Unternehmen der Tabak- und Waffenindustrie sowie "Dual-use-Unternehmen" angenommen worden seien, seit Kurz Obmann sei. "Darüber hinaus war ich nicht für die Finanzen der Bundespartei zuständig", sagte der Finanzminister. Ebenso schloss er neuerlich aus, dass Vereine, in denen er Verantwortung getragen habe, Spenden von der Novomatic erhalten haben.
Zusätzliche Brisanz verliehen dem zweiten U-Ausschuss-Auftritt von Blümel neben den öffentlich bekannt gewordenen Chats mit dem ÖBAG-Chef Thomas Schmid die Tatsache, dass er von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als Beschuldigtergeführt wird. Nicht nur die Opposition, auch die ÖVP gab sich offensiv gelaunt.
Angriffig zeigte sich die Opposition angesichts der bevorstehenden Befragung Blümels. "Der neue Stil ist ein Märchen, ebenso der Mut zur Veränderung", griff NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper die ÖVP an. Die Regierungspartei habe sich einen "Staat im Staat bauen" wollen, sagte SPÖ-Fraktionschef Jan Krainer. Er sprach in seinem Statement von einem "System Kurz", das von Anfang an darauf ausgerichtet gewesen sei, sich die Institutionen der Republik unter den Nagel zu reißen. "Sie brechen alle Regeln, die sie brechen können", so Krainer.
Der Freiheitliche Christian Hafenecker hatte für Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) gleich ein "Geschenk" parat: Das Medikament "Gedächtnis aktiv", um allfälligen Erinnerungslücken vorzubeugen. Sobotka sei für den Ausschuss mittlerweile untragbar und solle seinen Vorsitz zurücklegen, meinte Hafenecker außerdem. Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli ging die Sache optimistischer an: Sie sei "guter Dinge" , was die Befragung Blümels angeht.
Nach Blümel sind die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit bei der ÖBAG, Melanie Laure, und der ehemalige Kabinettschef von Blümel, Albert Posch, geladen, der mittlerweile den Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt leitet. Von Laure, die damals unter Minister HartwigLöger (ÖVP) im Finanzministerium war, erwarten sich die Fraktionen Einblick in die Vorgänge rund um die Ausschreibung des ÖBAG-Vorstandspostens Ende 2018, von Posch in die internen Abläufe der türkis-blauen Regierung.