In Brüssel erhöht man jetzt die Schlagzahl. Beim EU-Sondergipfel letzte Woche wurde die Kommission damit beauftragt, ein Grundmuster für einen „grünen Pass“ zu erstellen, der das alltägliche Leben für Geimpfte, frisch Getestete oder jene, die eine Covid-Erkrankung bereits überstanden haben, erleichtern soll. In erster Linie hat man (touristisches) Reisen im Blickfeld, aber auch Besuche in Restaurants oder bei Kulturveranstaltungen. Nach dem Gipfel war von einem Zeithorizont von drei Monaten die Rede, also bis Ende Mai.
Nun will die Kommission den ersten Teil des Projekts noch im März unter Dach und Fach bringen; das sagten heute Kommissions-Vizepräsident Margaritis Schinas und Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides nach einem informellen Rat der europäischen Gesundheitsminister. Der Vorschlag der Behörde soll demnach bereits am 17. März vorgelegt werden. Schinas sagte, Ausgangspunkt sei die Erstellung eines „europäischen Produkts“, das zunächst mit einigen Grundanforderung in Einklang zu bringen sei. Dabei geht es darum, welche Daten genau gespeichert sind (etwa Termine der Impfung, welches Vakzin verwendet wurde, welche Sicherheitsaspekte zu bedenken sind, Berücksichtigung der Datenschutz-Grundverordnung usw.) und wie das Zertifikat, das derzeit als Handy-App mit QR-Code konzipiert ist, in allen Ländern kompatibel funktionieren kann. Bewusst versucht man den Begriff „Impfpass“ zu vermeiden – er soll sich eben nicht nur auf Geimpfte beziehen. Ziel ist, dass Corona-Geimpfte und Genesene mit Attest fälschungssicher ihre Immunisierung sowie Nicht-Geimpfte negative Testergebnisse nachweisen können. Das könnte über ein einheitlich lesbares Dokument mit QR-Code geschehen, das man auf Papier oder auf dem Smartphone bei sich tragen könnte, ähnlich wie ein Bahnticket. Dazu müssen die nationalen Systeme der 27 EU-Staaten vergleichbar ausgestaltet beziehungsweise verknüpft werden.
Noch im März soll dieser Vorschlag dann von den Mitgliedsländern diskutiert bzw. angenommen werden – am 25. Und 26. März findet ohnehin der nächste reguläre EU-Gipfel statt.
Entscheidende Fragen offen
Doch damit ist es nicht getan, die wirklich entscheidenden Fragen sind weiterhin offen. So ist nach wie vor nicht ausreichend untersucht, ob Geimpfte nun andere trotzdem anstecken können oder nicht; davon hängt aber ab, was konkret so ein Zertifikat möglich machen kann. Vor allem aber ist es dann Ländersache, welche Erleichterungen der grüne Pass bringen kann – und welche nicht. Schinas betonte, dass es schon vor der Pandemie Länder gegeben habe, die die Einreise an bestimmte Impfungen geknüpft haben, das sei grundsätzlich keine Diskriminierung. Möglich könnten nun etwa vereinfachter Zugang ins Theater oder ins Restaurant sein, oder der Entfall von Quarantäneregeln – theoretisch.
„Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem sich das Gravitationszentrum solcher Fragen in die Mitgliedsländer verlagert“, meinte Schinas und spielte damit auf die Vorhaltungen an, die EU habe die Impfstoffbeschaffung vermasselt. Man habe vielmehr das „Albtraumszenario“ nationaler Alleingänge vermeiden können, den verheerenden Wettkampf zwischen kleinen und großen Ländern. Bis zum Sommer gebe es Impfdosen in mehr als ausreichender Zahl. Insgesamt hat sich die EU bis jetzt 2,6 Milliarden Impfdosen gesichert. Allerdings liege es nun an den Ländern, entsprechende Impfpläne umzusetzen.
Auf die Ankündigung gab es negative und positive Reaktionen. Die belgische Außenministerin Sophie Wilmes ärgerte sich über den Begriff „Pass“ und sagte, für Belgien komme es nicht infrage, die Impfung mit der Freizügigkeit in Europa zu verknüpfen. „Die Achtung des Prinzips der Nichtdiskriminierung ist grundlegender denn je, da die Impfung nicht obligatorisch ist und der Zugang zum Impfstoff noch nicht allgemein ist", so Wilmes.
Urlaubsländer wie Österreich oder Griechenland sehen das völlig anders. "Es freut mich, dass die EU-Kommission bei der Umsetzung des digitalen grünen Passes die Dringlichkeit erkannt hat. Es wäre fatal hier Monate verstreichen zu lassen", erklärte etwa Bundeskanzler Sebastian Kurz in einer Stellungnahme. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), die beim Ratstreffen am Vormittag mit Unterstützung von Griechenland, Slowakei, Bulgarien, Malta, Spanien eine eigene Note zur „raschen Wiederherstellung der Mobilitätsfreiheit“ eingebracht hatte, sagte, eine digitale Handy-Lösung, die über Impfung, Infektion oder Testergebnis informiert, sei auch der Schlüssel um das Tor für Reisen wieder zu öffnen: „Die Wiederherstellung der Reisefreiheit ist nicht nur für das Urlaubsland Österreich entscheidend, sondern für den gesamten europäischen Tourismus. Die rasche Umsetzung einer gemeinsamen Lösung für mehr und sichere Reisefreiheit muss daher im Interesse aller EU-Mitgliedstaaten sein. Ein europaweit einheitlicher Grüner Pass ist genau das richtige Instrument, um der gesamten Tourismusbranche eine neue Perspektive zu geben.“