Die EU hadert weiter mit AstraZeneca und der Mitteilung des Konzerns, deutlich weniger als die ursprünglich vertraglich vereinbarte Menge an Impfstoff-Dosen zu liefern. Die Zulassung der Vakzine durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA ist für Freitag projektiert. Kritik und Appelle, die Verträge einzuhalten, kamen am Dienstag unter anderem von EU-Budgetkommissar Johannes Hahn und seiner Chefin, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Hahn bekräftigte das "Ärgernis" der EU-Kommission über das Pharmaunternehmen AstraZeneca und dessen Ankündigung, vorerst nicht die vertraglich vereinbarte Menge an Corona-Impfstoff liefern zu können. Derzeit gebe es "keine zufriedenstellenden Antworten", sagte Hahn am Dienstag vor Journalisten. Man erwarte eine Lösung bis Ende der Woche, dann werde man die Situation erneut beurteilen.
Auf die Frage, ob die EU-Kommission rechtliche Schritte gegen AstraZeneca einleitet, antwortete der österreichische EU-Kommissar: "Der Fokus muss jetzt sein, dass geliefert wird." Es werde alles getan, um die Situation zu verbessern - unter Umständen durch die Erhöhung der Lieferung des Corona-Impfstoffs anderer Anbieter. Wenn es allerdings zu keiner befriedigenden Antwort von AstraZeneca komme, so Hahn, dann seien natürlich rechtliche Schritte - wie sie schon EU-Ratschef Charles Michel in den Raum stellte - eine mögliche Konsequenz.
Genug Geld habe man den Impfstoff-Anbietern bereitgestellt, sagte Hahn. Die Mittel müssten auch dazu dienen, um Produktionskapazitäten in Europa aufzubauen - "also nicht irgendwo, sondern in Europa", betonte der EU-Kommissar. Man werde genau darauf schauen, was in den Produktionen im Hinblick auf die Verteilung stattfinde.
Zuvor hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Hersteller von Corona-Impfstoffen aufgefordert, ihre Lieferverpflichtungen zu erfüllen. Europa habe "Milliarden investiert, um die Entwicklung der weltweit ersten Covid-19-Impfstoffe zu unterstützen", sagte von der Leyen am Dienstag in ihrer per Video übertragenen Rede für das Weltwirtschaftsforum in Davos. "Und jetzt müssen die Firmen liefern, sie müssen ihre Verpflichtungen einhalten." Von der Leyen bekräftigte, dass die Kommission einen "Transparenzmechanismus für den Export von Impfstoff" in Länder außerhalb der EU plant.
Überraschende Mitteilung
AstraZeneca hatte am Freitag mitgeteilt, nach der für diese Woche erwarteten Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) zunächst weniger Impfstoff als geplant an die EU liefern zu wollen. Statt 80 Millionen Impfstoffdosen sollen bis Ende März nur 31 Millionen eingeplant sein. Brüssel hat bei dem Unternehmen insgesamt bis zu 400 Millionen Dosen bestellt. Am Freitag könnte die EU-Arzneimittelbehörde EMA die Zulassung für den europäischen Markt empfehlen.
In Brüssel gibt es den Verdacht, dass das Unternehmen andere Länder wie Großbritannien außerhalb der EU mit ungekürzten Mengen beliefert. "Wir sehen, dass Dosen anderswohin geliefert werden", sagte ein Kommissionssprecher. Da die EU Vorauszahlungen für die Produktion geleistet habe, "sollten diese Dosen eigentlich für die Lieferung verfügbar sein", sobald die EMA grünes Licht gebe.
AstraZeneca konnte bei zwei Treffen mit der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten am Montag Brüssel zufolge nicht ausreichend erklären, wie es zu den Lieferengpässen gekommen ist. Laut Kommission ist für Mittwoch nun ein weiteres Treffen mit dem Unternehmen angesetzt. Den Hinweis von AstraZeneca auf Produktionsprobleme bei einem Zulieferer in Belgien hält die Kommission für nicht stichhaltig.
Die EU-Behörde plant nun einen "Transparenzmechanismus für den Export von Impfstoff" in Länder außerhalb der EU. Dazu bekräftigte die Kommission aber, dass es sich dabei nicht um ein Verbot für den Export von in der Europäischen Union hergestellten Corona-Impfstoffen in Drittstaaten handelt.
"Es geht hier nicht um das Blockieren, sondern darum zu wissen, was die Unternehmen auf Märkte außerhalb der EU exportieren", sagte ein Kommissionssprecher am Dienstag. Brüssel hatte am Montag vor dem Hintergrund von Lieferverzögerungen beim Hersteller AstraZeneca angekündigt, einen solchen "Transparenzmechanismus" einzuführen.
Auch Großbritannien in Sorge
Zuvor hatte ein führender britischer Gesundheitsexperte vor Einschränkungen von Impfstoffexporten aus der Europäischen Union gewarnt. "Sollte das passieren, dann wäre das natürlich besorgniserregend", sagte der Chef des Nationalen Gesundheitsdienstes (NHS), Simon Stevens, am Dienstag vor Abgeordneten. Das Ziel, die am meisten gefährdeten Menschen bis Mitte Februar zu impfen, wäre dann gefährdet. Allerdings halte er es nicht für wahrscheinlich, dass es zu Problemen kommen werde.
Ärzte, Krankenhäuser und alle Partner täten gut daran, "die Impfungen jetzt schnell auf den Weg zu bringen", sagte Stevens. "Wir wollen also nicht, dass dieser Fortschritt gestoppt wird."