"Was für ein Auftrieb für dieses Land!“, twitterte Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon, als es die schottische Nationalelf tatsächlich geschafft hatte: Seit fast einem Vierteljahrhundert qualifizierten sich die Schotten wieder für eine Fußball-EM und bekommen es 2021 in der Gruppenphase auch mit England zu tun. Mehr Symbolik braucht es nicht.
Denn die Rufe nach der Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich werden lauter, je näher der Brexit rückt. Die Mehrheit der Schotten will nach wie vor in der EU bleiben. „Dass die
britische Regierung entschlossen scheint, einen EU-Ausstieg ohne Abkommen voranzutreiben, wäre schon in normalen Zeiten töricht; inmitten einer globalen Pandemie ist es vollkommen verantwortungslos“, schrieb Sturgeon kürzlich in einem Gastbeitrag in der „Welt“.
Im Mai wird gewählt
Im Mai 2021 stehen in Schottland Neuwahlen an. In den Umfragen liegt die Scottisch National Party (SNP) aktuell bei deutlich mehr als 50 Prozent. Sturgeon selbst heimst trotz keineswegs immer geglückter Pandemiebekämpfung enorme Zustimmungswerte ein. So stellte sie nun auch klar, dass ein Sieg der SNP im Mai ein klares Mandat für ein neues Unabhängigkeitsreferendum wäre.
Sturgeon, Jahrgang 1970, steht für Veränderung. Schon als 16-Jährige trat sie wegen der „Eisernen Lady“ der SNP bei: Aus Zorn über Margaret Thatchers Politik, die nur die „soziale Ungleichheit“ gefördert habe. 1999 wurde die Tochter eines Elektrikers, die mit SNP-Geschäftsführer Peter Murrell verheiratet ist, erstmals in das junge schottische Parlament gewählt. 2014 trat sie als erste Frau an die Spitze der schottischen Regierung, 2016 wurde sie erneut Schottlands Erste Ministerin. Als Regierungschefin des Landes hinter dem Hadrianswall sieht sich die Juristin als Stachel im Fleisch der britischen Regierung. Doch den Weg der Katalanen wollen die Schotten definitiv nicht einschlagen.