Herr Rough, Sie waren Berater von Präsident George W. Bush im Weißen Haus und gelten als intimer Kenner der Republikanischen Partei. Ist das Ignorieren der Ergebnisse durch Präsident Donald Trump taktisch motiviert oder basiert es eher auf seiner Persönlichkeitsstruktur?
PETER ROUGH: Donald Trump hat beim Besuch am Wahltag in der Zentrale seines Teams in Virginia gesagt: „Gewinnen ist leicht. Verlieren ist niemals leicht. Nicht für mich.“ Das war auf die Frage, wie es ihm ergehen würde, wenn er verliert. Trump ist jemand, der viel vom Gewinnen und von Stärke spricht, er hat von der Projektion der Stärke und seiner Siegerhaltung profitiert. Insofern tut er sich schwer damit, die Niederlage einzugestehen. Aber es lässt sich für mich noch schwer sagen, ob er damit versucht, für eine politische Zukunft nach dem Weißen Haus Hebel aufzubauen.
Wir sehen bei einigen Republikanern eine erste Absetzbewegung. Gilt das nur der Person Trump oder auch dem Inhalt?
ROUGH: Trumpismus wird ein Teil der Partei bleiben, denn der hat sich bei der Wahl bestätigt. Obwohl Trump verloren hat, erreichte er mehr als 70 Millionen Stimmen. Das ist ein einzigartiges Ergebnis für einen republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Trump hat für die Zukunft eine Möglichkeit aufgezeigt, wie man Arbeiter mit dem traditionell bürgerlich-republikanischen Spektrum zusammenführen kann. Und dadurch auch mehrheitsfähig sein kann. Deswegen verhalten sich Republikaner so zurückhaltend. Sie wollen die neuen Wähler, die von der Niederlage enttäuscht sind, nicht verprellen und geben Trump die Chance, seine rechtlichen Mittel zu nutzen.
Und welche Rolle spielt dabei die Person Trump?
ROUGH: Das ist schwierig zu differenzieren. Einerseits haben ihm sein Elan, seine Stärke und Vitalität, die er im Wahlkampfendspurt gezeigt hat, genutzt. Viele Wähler mögen es ja, dass Trump sich als Bollwerk gegen das Establishment positioniert hat. Andererseits haben mache Republikaner seinen Stil abgelehnt, was man am Stimmensplitting in einigen Bezirken gesehen hat. Also eine Stimme für den republikanischen Senator oder Abgeordneten, aber nicht für den Präsidenten. Dennoch wird die restriktivere Migrationspolitik trotz aller Absetzbewegung als Ergebnis des Trumpismus erhalten bleiben.
Sie schreiben in einer Analyse: „Trumps mächtigste politische Waffe ist seine Verbindung zu den Jacksonians. Sie sind die modernen Erben von Andrew Jackson, der die kulturellen Vorlieben des hinterwäldlerischen Amerika Anfang des 19. Jahrhunderts ins Weiße Haus brachte.“ Wie lässt sich dieses Denken in den ländlichen Räumen mit dem liberalen Denken in urbanen Räumen an der West- und Ostküste vereinbaren?
ROUGH: Vorwärts geht eine Partei nie zurück. Auch die Republikaner gehen voran und die vergangenen Jahre werden dabei prägend sein. Sollten die Republikaner in Georgia ihre zwei Sitze im Senat verteidigen und ihre Mehrheit halten können, müsste man Überschneidungen finden mit den Demokraten. Es gibt zum Beispiel Schnittmengen für ein Infrastrukturpaket. Auch die riesigen Herausforderungen durch China haben einen Einigungseffekt. Man wird dies gemeinsam angehen wie in den späten 40er-Jahren unter Harry Truman. Er hat eine Einigung im Kampf gegen die Sowjetunion hergestellt, was zunächst auch unpopulär war. Es könnte sein, dass wir jetzt an einem ebensolchen Zeitpunkt angelangt sind. Aber natürlich gibt es eine Kluft zwischen der urbanen Elite und dem ländlichen Raum. Die Politik nimmt das erst jetzt zur Kenntnis. Biden möchte ja die Arbeiterklasse zurückgewinnen und die Republikaner sind auch nicht völlig abgeschnitten in den urbanen Zentren.
Wer wären denn die Personen dafür bei den Republikanern?
ROUGH: Die ehemalige UN-Botschafterin Nikki Haley könnte einen traditionellen Weg wie unter Ronald Reagan mit einem trumpistischen Weg verkuppeln. Sie hat Ambitionen auf das Weiße Haus. Das könnte dann wieder die urbane Szene ansprechen.
Ein Präsident wirkt disziplinierend auf eine Partei. Der Räson ordnet man alles unter, um regieren zu können. Wie werden die Republikaner nun agieren?
ROUGH: Sie haben jetzt eine große Chance, sich in der Opposition zu regenerieren. Denn die Demokraten waren ja fast nur als Anti-Trump-Partei geeint. Der linke hat sich mit dem rechten Flügel nur vertragen, um den Präsidenten abzuwählen. Aber jetzt müssen sie diese Linie mit Inhalten unterfüttern. Die Idee unter den demokratischen Linken wie Alexandria Ocasio-Cortez war es, Biden loyal zu unterstützen, am Tag nach der Wahl ihre für amerikanische Verhältnisse weit links stehenden Konzepte zu präsentieren und mit der Mehrheit im Senat und Repräsentantenhaus eine wahre linke Politik zu machen. Das wird nun nicht gelingen, weil sich die Republikaner überraschend stark hielten.
Wie wird sich das zeigen?
ROUGH: Biden wird aufgrund seines Alters kein zweites Mal antreten. Kamala Harris wird von der Sorge umgetrieben, dass sie innerhalb der Partei zu sehr mit Bidens Politik der Mitte in Verbindung gebracht wird. Auf der linken Flanke könnte es zu Verdrossenheit kommen unter Bernie Sanders, Elizabeth Warren oder Ocasio-Cortez. Bei den Demokraten sehe ich die etwas größere Möglichkeit einer Spaltung als bei den Republikanern.
Wie wird Trump wirken?
ROUGH: Bei den Republikanern sehe ich eher die Gefahr, dass er seine Bewegung und seine Wähler nicht in die Partei einverleibt. Er könnte eine Parallelstruktur gründen, die in vier Jahren bei einem erneuten Anlauf nicht in den Vorwahlen der Republikaner mündet und damit zur unabhängigen Kandidatur führt. Das wäre ein Riesenproblem für die Republikaner. Deshalb gibt es in der Partei auch diese Zurückhaltung.
Führt er die Partei inhaltlich?
ROUGH: Trump wird sich von außen einbringen. Er wird weiterhin Veranstaltungen machen. Dadurch kann er einen großen Beitrag leisten und auch immer wieder die Politik kommentieren. Viele Kandidaten für 2024 werden seine Unterstützung haben wollen. Insofern hat er Einfluss auf die Parteilinie und auch mächtige Hebel. Barack Obama meldet sich nur gelegentlich, zieht aber hinter den Kulissen die Fäden. George W. Bush hat damals entschieden, sich völlig aus der aktiven Politik zurückzuziehen. Das ist unter Donald Trump schwer vorstellbar.
Ingo Hasewend