Was bedeutet Joe Bidens Wahl zum US-Präsidenten für Großbritannien?
LEIGH TURNER: Boris Johnson hat Joe Biden schon gratuliert. Großbritannien hat in den Vereinigten Staaten immer einen sehr engen Verbündeten, auch im nachrichtendienstlichen und militärischen Austausch.
Aber es war doch Donald Trump, der Boris Johnson zum Brexit anfeuerte und dafür ein extra gutes Handelsabkommen versprach.
Handelsabkommen werden, egal bei welchem Präsidenten, immer hart verhandelt. Auch die langen Verhandlungen mit der EU waren nicht einfach. Wir sind überzeugt, dass es für alle Seiten vorteilhaft sein wird.
Ob es das Handelsabkommen mit der EU geben wird, ist überhaupt nicht sicher. Wie bei Corona heißt es auch zum harten oder weichen Brexit wieder einmal: Das ist die entscheidende Woche.
Ja, diese Woche ist sehr wichtig und es wird hart verhandelt. Wir hoffen noch auf ein gutes Abkommen, sowohl für die britischen Interessen als auch für die EU. Es gibt gute Fortschritte, weil seit einigen Wochen auf der Basis von Texten verhandelt wird. Ein schwieriger Bereich ist die Subventionspolitik. Da verlangt die EU von uns zu viel – so als ob wir noch im Binnenmarkt wären. Großbritannien hat nie großzügig subventioniert und war nie der Sünder. Dass wir weiterhin an Regeln gebunden werden, die in Brüssel entschieden werden, ist völlig unlogisch. Wir werden ja auch nicht wie die Schweiz am Binnenmarkt teilnehmen. Wir wollen nur ein Handelsabkommen wie Kanada oder Japan. Uns hat die EU weniger angeboten als Kanada.
Im Streit um Fischereirechte will Großbritannien seine Fanggebiete sogar ausdehnen.
An den Fischereirechten drohen die gesamten Verhandlungen zu scheitern. Das wäre für Länder, die mit der Fischerei nichts zu tun haben, nicht gewinnbringend. Die EU-Kommission hat mit der Forderung, dass für immer dieselben Quoten gelten sollen wie jetzt, eine sehr harte Linie gezogen.
Über das Grenzmanagement mit Nordirland und Irland hat sich Boris Johnson aus EU-Sicht mit Vertragsbruch hinweggesetzt.
Das Wichtigste ist, dass wir eine Vereinbarung bekommen, dann ist damit das Problem gelöst. Natürlich muss Handel innerhalb des Vereinigten Königreichs ohne Wenn und Aber ausgeübt werden können. Auch aufgrund des Karfreitag-Abkommens darf es für uns zwischen Nordirland und Irland keine neuen Grenzen geben.
Kommt das Abkommen nicht, sind in Großbritannien mit Jahresbeginn 2021 wirtschaftlich Chaos und höhere Zölle vorausgesagt.
Die nordirische Grenze wird in einer eigenen Runde verhandelt. Aber ja. Ein Abkommen wäre besser für beide Seiten.
Schon jetzt steht das Pfund gegenüber dem Dollar fast so tief, wie Ihr erklärter Lieblingsclub Manchester United in der Tabelle.
Ich werde in Pfund bezahlt und merke keinerlei Probleme. Da sehe ich keine langfristige Krise. Als ManU-Fan ist das für mich bitter, aber ich hielt auch zum Team, als es 1970 abstieg.
Die EU treibt den Green Deal voran, wo bleibt Großbritannien?
Wir sind im November 2021 in Glasgow Veranstalter der verschobenen cop26-Konferenz und sehen eine einzigartige Gelegenheit für Staaten weltweit, die ehrgeizigsten Klimaziele beim CO2-Abbau zu setzen. Im Dezember treiben wir das in einer virtuellen Tagung voran.
Müssen Bürger beider Seiten noch um Aufenthalte in Großbritannien oder Österreich bangen?
Wir freuen uns sehr, dass die österreichische Regierung ein Gesetz erlassen hat, dass sich die rund 11.000 Briten in Österreich ab dem 1. Jänner 2021 binnen zwölf Monaten für ihr Aufenthaltsrecht anmelden können, und ich hoffe, dass es rasch und unbürokratisch läuft. In Großbritannien haben umgekehrt 16.000 Österreich um Aufenthalt angesucht und nicht einem einzigen wurde es verwehrt.
Was heißt der Brexit für Großbritanniens Mitwirkung an der Terrorbekämpfung und wie erlebten Sie den Anschlag in Wien?
Was in Wien geschah, ist eine Tragödie für Österreich und tut mir sehr leid. Wir werden alles tun, um Österreich bei den Ermittlungen zu unterstützen. Wir stellten sofort einen Krisenstab in der Botschaft auf. Britische Bürger blieben glücklicherweise heil. Ich habe leider solche Krisen auch in Istanbul, Moskau und Kiew erlebt. In der Terrorbekämpfung ist Großbritannien bereit, so tief und breit zusammenzuarbeiten, wie es die EU erlaubt und uns vertraut. Großbritannien lieferte an die 27 EU-Staaten immer mehr Informationen, als wir bekamen – sogar im Verhältnis 7:1, weil unsere Nachrichtendienste sehr viel Erfahrung haben.
Österreichs Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorbekämpfung ist krisengeschüttelt. Wie groß ist Großbritanniens Vertrauen in das BVT?
Informationsaustausch ist wichtig und wir werden das weiter tun. Wenn wir bei der Reform des BVT behilflich sein können, stehen wir bereit.
Wie bewältigt das stark betroffene Großbritannien Corona?
Es stimmt, dass die Todeszahlen im März verhältnismäßig hoch waren. Im Moment ist die Zahl der Infektionen in Österreich viel höher, in Großbritannien 60 Prozent davon. Das kann sich natürlich ändern. Derzeit haben wir einen Teil-Lockdown ähnlich wie in Österreich, die Schulen sind offen.
Bei den Maßnahmen in Österreich fühlen Sie sich sicher?
Ja. Aber ich hatte das Virus und zum Glück nur leichte Anzeichen einer Verkühlung und ging dann mit einer langen Quarantäne auf Nummer sicher.
Abschließend: Welche Buchmacherquote geben Sie auf einen weichen oder harten Brexit?
Der Brexit hat schon stattgefunden. Um das Handelsabkommen wird diese Woche hart verhandelt und ich bin Optimist für eine gute Vereinbarung.
Wie symbolisch spielt Österreichs Fußballnationalteam diese Woche auch gegen Nordirland?
Ja, auch das wird hart. In Belfast gab es 2004 ein 3:3. Für diplomatische Ergebnisse bin ich immer zu haben.
Adolf Winkler