In der Nacht traf in Nashville im Bundesstaat Tennessee Präsident Donald Trump auf den ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden im letzten TV-Duell dieses beispiellosen US-Präsidentschaftswahlkampfes. Im Vergleich zum ersten Duell Anfang Oktober war die Auseinandersetzung, moderiert von der NBC Journalistin Kristen Welker, gesittet und diszipliniert. Fast wirkte sie wie eine kurzzeitige Rückkehr zur politischen Normalität. Trump war sichtlich um einen höflicheren und umgänglicheren Stil bemüht, zumindest für die ersten 40 Minuten der Diskussion. Sein neuer Stil war aber wohl mehr auf die neuen Regelungen wie die zeitweise stumm geschalteten Mikrofone zurückzuführen, als eine neue Debatten-Strategie. Es fiel ihm auch merklich schwer, Biden nicht ins Wort zu fallen.
Trump setzte nach seinem Eingangsstatement und einer kurzen Aufwärmphase auf vollen Angriff. Doch seine altbekannten Standardphrasen sowie persönlichen Untergriffe schossen ins Leere. Der Präsident schaffte es nicht mit seiner rhetorischen Darbietung und verbalen Attacken seinen demokratischen Herausforderer aus der Fassung zu bringen und zu verbalen Ausrutscher zu verleiten. Biden ließ sich nur mitunter aus der Defensive locken, vor allem wenn es um seinen Sohn, Hunter Biden, ging.
Keine gute Performance
Trump ist daher auch der eigentliche Verlierer dieses Duells. Nur eine überragende Performance hätte ihm, der in den meisten Umfragen hinter Biden zurückliegt, die Möglichkeit geboten einerseits noch unentschlossenen Wähler und Wählerinnen für sich zu gewinnen und gleichzeitig seine Basis zu mobilisieren. Trump musste diese Debatte gewinnen, Biden hingegen musste nur nicht verlieren. Über lange Strecken der Debatte war Trump aber in der Defensive. Demgegenüber war Biden angriffslustig. Mit Sicherheit war es seine bisher beste Debatten-Performance in diesem Jahr.
Die Strategie des Vizepräsidenten war klar. Fokus auf das Coronavirus und das eklatante Krisenmanagement des Weißen Hauses. Mehr als 220,000 Amerikaner sind mittlerweile der globalen Pandemie zum Opfer gefallen. Die USA lernten nicht, damit zu leben. "Wir lernen, damit zu sterben", unterstrich Biden in Antwort auf eine relativierende Aussage Trumps. Laut Umfragen sieht die Mehrheit Trumps Strategie zur Bekämpfung des Virus als äußerst kritisch. Bis heute schaffte es die Regierung nicht, in Zusammenarbeit mit dem Kongress ein neues Konjunkturpaket zu schüren, welches für Biden ein Zeichen für die eklatante Führungsschwäche von Trump ist. Biden unterstrich auch die persönliche Fahrlässigkeit des Präsidenten hierbei. Trump kam übrigens ohne Maske auf die Bühne, Biden mit Maske.
Fokus auf Enthüllungen
Trumps Strategie fokussierte hingegen auf angebliche Enthüllungen über Korruption in der Biden-Familie. Im Speziellen schoss er sich auf vermeintlich geleakte E-Mails von Hunter Biden ein, der bei Auslandsgeschäften in der Ukraine und China in der Amtszeit von Barack Obama vom Status seines Vaters profitiert hätte, so die Anschuldigungen Trumps. Demokraten bezeichnen als eine versuchte Wahlmanipulation Russlands, die an 2016 erinnert. Trump-freundliche Medien und seine Basis sehen darin hingegen eine Bestätigung für die korrupte Natur der gesamten demokratischen Führung.
Neben der Außen- und Sicherheitspolitik, die ohnehin Wähler/innen historisch wenig in ihrer Entscheidung beeinflusst, gab es heftige Schlagabtausche zur Einwanderungspolitik, Wirtschaftspolitik, der Gesundheitsreform und Rassenbeziehungen.
Effektive Taktik
Bidens effektivste Taktik: Sich immer wieder an die Kamera wenden, und sich direkt an die Wähler/innen zu wenden. Trumps effektivste Taktik: immer wieder darauf hinzuweisen, dass Biden die Möglichkeit hatte seine politischen Visionen acht Jahre lang unter der Präsidentschaft von Barack Obama umzusetzen, aber versagte. Letztendlich wirkte der ehemalige Vizepräsident souveräner, besser vorbereitet, und empathischer als der amtierende Präsident.
Es ist aber unwahrscheinlich, dass dieses letzte TV-Duell einen großen Einfluss auf den Wahlausgang haben wird. Es sind nur mehr elf Tage bis zur Wahl am 3. November. Fast 47 Millionen Wähler und Wählerinnen haben bereits abgestimmt, 23 Millionen davon in den entscheidenden wichtigen Swing-States. Zum Vergleich: Die gesamte Wahlbeteiligung wird auf 157 Millionen geschätzt. Vielmehr unterstrich die Auseinandersetzung abermals die starke Polarisierung der Gesellschaft, die sich in Nashville, trotz einer besseren Debattenkultur im Vergleich zum ersten TV-Duell, abermals manifestierte.
Franz-Stefan Gady in New York