Für die Kandidaten für das amerikanische Vizepräsidentenamt, den Republikaner Mike Pence und die Demokratin Kamala Harris, wird es die einzige TV-Debatte sein. Beide werden sich daher perfekt vorbereitet in die Schlacht werfen, um beim Millionenpublikum zu punkten.
Wenn sich Mike Pence (61) und Kamala Harris (55) heute Nacht 90 Minuten lang - von einer Plexiglas-Scheibe voneinander getrennt - in Salt Lake City in ihrem TV-Duell verbal matchen, dürfte bei vielen Amerikanern auch der Gedanke mitschwingen, dass eine der beiden Personen auch der nächste US-Präsident bzw. die nächste US-Präsidentin sein könnte. Denn US-Präsident Donald Trump ist 74 Jahre alt und hat sich mit dem Coronavirus angesteckt. Welche Folgen das hat, wird sich erst noch zeigen. Der 77-jährige Joe Biden ist zwar bisher gesundheitlich davongekommen, doch ist nicht gesagt, dass er sich nicht auch noch ansteckt. Mit allen unwägbaren Folgen.
Eigentlich steht das TV-Duell der Vizepräsidenten im US-Präsidentschaftswahlkampf traditionell für Angriffe unter der Gürtellinie. Denn die Vizepräsidenten sollen das Unappetitliche und Grobe für ihre Präsidentschaftskandidaten wegräumen. Doch das haben der US-Präsident und sein demokratischer Herausforderer Joe Biden bei ihrem ersten desaströsen TV-Duell schon selbst erledigt. So bleibt zu hoffen, dass der Schlagabtausch zwischen Trumps Vize Mike Pence und Bidens Vize Kamala Harris sachlicher und weniger peinlich ausfallen wird.
Mike Pence und Kamala Harris treffen heute (um drei Uhr Früh unserer Zeit) in der Universität von Salt Lake City im US-Staat Utah aufeinander. Die Moderatorin ist Susan Page, die Chefin des Washingtoner Büros von "USA Today". Da Pence der Leiter der Corona-Task-Force ist, wird er wohl erklären müssen, wie er die Corona-Politik Trumps mit mehr als 200.000 Toten in den USA rechtfertigen kann sowie den Umstand, dass immer mehr Mitarbeiter im Weißen Haus mit dem Coronavirus infiziert sind.
Doch wer ist eigentlich Mike Pence?
Pence sagt, er sei „Christ, Konservativer und Republikaner - in dieser Reihenfolge." Pence kennt das politische System wie seine Westentasche, er war Teil davon. Er saß zwölf Jahre als Abgeordneter im US-Repräsentantenhaus und hat sich ein gutes Netzwerk aufgebaut, das er nun gut gebrauchen kann. Aufgewachsen in Indiana, hat er als Anwalt und Moderator einer konservativen Radiosendung gearbeitet, ging dann nach Washington und gewann Ende 2012 die Wahl zum Gouverneur seines Heimatstaates. Dort erließ der dreifache Vater ein scharfes Anti-Abtreibungsgesetz. In Indiana ließ er auch mit einem anderen Gesetz aufhorchen, das die freie Ausübung der Religion schützen sollte. Das brachte ihm in konservativ-religiösen Kreisen viel Beifall ein. Kritiker sahen das anders. Privatunternehmen sollte es damit nämlich erlaubt sein, Schwule und Lesben aus religiösen Gründen abweisen zu dürfen. Weil sich viel Protest regte, entschärfte Pence letztlich das Gesetz.
Und wer ist Kamala Harris?
Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden hatte bereits im März erklärt, eine Frau zur Vizepräsidentin machen zu wollen, sollte er gewählt werden. Warum eine Frau? Der Wählerinnenanteil wächst seit Jahrzehnten, schon in der vergangenen Wahl gaben zehn Millionen mehr Frauen ihre Stimme ab als Männer. Frauen sind eine wichtige Basis der demokratischen Partei.
"Amerikanische Senatorin. Ehefrau, Momala, Tante. Kämpft immer noch für die Menschen“, steht auf ihrem Twitter-Account. Kamala Harris hatte sich zunächst selbst für die demokratische Präsidentschaftskandidatur beworben, stieg aber aufgrund niedriger Umfragewerte aus dem Rennen aus und unterstützte fortan Biden.
Die kalifornische Senatorin zählt zum moderaten Flügel der Demokraten, wenngleich Politologen wie etwa Tom Hogen-Esch sagen, aufgrund ihrer Einstellung zu Bürgerrechten, staatlicher Regulierung, Waffengesetzen und Einwanderung tendiere sie eher zum linken Flügel. Ihre Mutter, eine Wissenschaftlerin, hatte indische Wurzeln, ihr Vater jamaikanische. Nach ihrem Wirtschafts- und Politikwissenschaftsstudium an der Howard University in Washington machte Kamala Harris auch noch das Doktoratsstudium in Jus an der University of California und legte eine steile Karriere als Juristin hin.
Seit 2017 vertrat sie den Bundesstaat Kalifornien im Senat, von 2011 bis 2017 war sie Generalstaatsanwältin in Kalifornien. Der Treppenwitz der Geschichte: Für ihren damaligen Wahlkampf ums Amt der Generalstaatsanwältin gab es eine Spende in der Höhe von 6000 Dollar – von einem Unternehmer namens Donald Trump.
Seit 2014 ist Kamala Harris mit dem Juristen Douglas Emhoff verheiratet, der zwei Kinder aus einer früheren Ehe hat. „Biden wählte mit Harris keinen anderen Biden, sondern einen anderen Obama“, urteilte der britische „Guardian“, „eine Person, die die Zukunft eines Landes von Einwanderern repräsentiert und tief verwurzelt ist in der harten Arbeit, das Unrecht in Amerika zu beheben.“
Und wozu sind Vizepräsidenten nun da?
Die Amerikaner erzählen sich gern folgenden Witz: „Es gab einmal zwei Buben, die von zu Hause fortliefen und von denen nie wieder jemand hörte: Der eine wurde Seemann, der andere Vizepräsident.“ Die in der US-Verfassung festgelegten Kompetenzen für den „Vice“ sind überschaubar: Eigentlich führt der Vizepräsident nur den Vorsitz des Senats und kann in Abstimmungen, die unentschieden ausgehen, das Tiebreak-Votum abgeben, die entscheidende Stimme. Ansonsten hat er repräsentative Funktionen.
Aber: Die Nachfolge des Präsidenten der Vereinigten Staaten wird durch die Verfassung und den Presidential Succession Act von 1947 geregelt. Aus der Verfassung ergibt sich, dass – falls der Präsident aus irgendwelchen Gründen aus dem Amt scheidet – der Vizepräsident nachrückt.
Von den 44 US-Präsidenten vor Donald Trump sind immerhin 13 zuvor Vizepräsidenten gewesen. Das Amt ist also keine schlechte Ausgangsposition.