Margaritis Schinas ist heute unterwegs in sein Heimatland. Der Grieche, einst Pressesprecher der EU-Kommission, ist mittlerweile als Kommissar für Migration zuständig – und jetzt brennt es, leider auch im wörtlichen Sinn. Die Zerstörung des völlig überfüllten Flüchtlingslagers Moria auf der Insel Lesbos könnte genau jener Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Oder, wie es die Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament, Monika Vana, formuliert hat: „Der Tiefpunkt menschenunwürdiger Asylpolitik in Europa“.
Schinas soll sich ein Bild machen und am Ort des Geschehens zumindest den Anschein erwecken, Europa interessiere sich dafür, was da vorgeht. In einem TV-Interview versuchte er, die Details zurechtzurücken: „Moria ist nicht der Fehler von Europa, sondern von einem nicht existierenden Europa. Wir haben lange versucht, die Lasten gleich in die Mitgliedsländer zu tragen. Es gab ein paar Regierungen, die das blockiert haben. Was wir heute sehen, zeigt uns, was passiert, wenn Europa nicht da ist.“
In wenigen Tagen, am 30. September, will die Kommission ihre neuen Vorschläge für ein reformiertes Asylwesen präsentieren. Das ist zu begrüßen, geklärt ist damit noch lange nichts – denn ohne die Mitgliedsländer geht nichts, und die haben zur Lösung des Problems so gut wie nichts beigetragen. Auch Österreich nicht, das derzeit nicht einen einzigen der Notleidenden aus Moria ins Land lassen will und es bisher nicht einmal geschafft hat, einige wenige unbegleitete Kinder aufzunehmen – im Gegensatz zu einem Dutzend anderer EU-Länder, darunter Portugal, Slowenien oder Kroatien. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron kündigten am Donnertag an, zusammen mit anderen EU-Ländern 400 unbegleitete Minderjährige aufzunehmen.
Tatsächlich hat die EU bisher rund 2,6 Milliarden Euro nach Griechenland überwiesen und die Beteuerungen, diese Mittel seien zweckdienlich im Migrationsbereich eingesetzt worden, erscheinen angesichts der Bilder aus Moria wie ein schlechter Scherz. Das, was vom neuen Asylkonzept bekannt ist, beantwortet zentrale Fragen wie jene der Kontrolle über eingesetzte Mittel aber immer noch nicht (es soll um drei große Bereiche gehen: Bessere Zusammenarbeit mit Nachbar- und Transitländern, bessere Bewachung und Kontrolle der Außengrenzen, neues Solidarsystem innerhalb der EU zur Flüchtlingsverteilung). Und wie es sein kann, dass Abertausende Schutzsuchende über Jahre hinweg auf einer Art Mülldeponie für Menschen festgehalten werden, ohne dass es zu einer Entscheidung darüber kommt, ob sie bleiben (und weiterreisen) dürfen oder zurück müssen, ist im Grunde nicht erklärbar. Das Tempo der Verfahren müsse erhöht werden, räumte heute ein Sprecher der EU-Kommission ein. Das wusste man vor fünf Jahren aber auch schon.
Wieder einmal sind es Frankreich und Deutschland, die die Intitiative ergreifen wollen. Heute findet auf Korsika zufällig eine Art Mittelmeergipfel statt, auch da soll das Thema besprochen werden. Aus vielen Ländern gibt es Angebote zur Hilfe - überwiegend von NGOs, privaten Initiativen oder politischen Parteien. Die Regierungen warten und schauen zu.
Was nun in Moria passiert ist, war die "bestangekündigte Katastrophe" in Europa, sagte der österreichische Migrationsforscher Gerald Knaus. Die Länder Europas sollten das als letztes Warnsignal erkennen: Es besteht dringender Handlungsbedarf.