Es war sehr knapp, aber schließlich doch eindeutig: Polens nationalkonservativer Präsident Andrzej Duda setzte sich bei den Wahlen mit 51,2 zu 48,8 Prozent gegen seinen Herausforderer Rafal Trzaskowski durch. Das Kopf-an-Kopf-Rennen legte bis zuletzt die Spur dafür, dass in Polen eine gespaltene Gesellschaft entstanden ist. Trzaskowski, Warschauer Bürgermeister von der Bürgerliste PO gilt als liberal und pro-europäisch; Duda von der nationalkonservativen PiS („Recht und Gerechtigkeit“) scheut sich nicht vor antieuropäischen und antideutschen Ressentiments und forderte schon bisher die Hüter der europäischen Werte in Brüssel immer wieder heraus.
Entsprechend verhalten fielen zunächst die Reaktionen von dort aus: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen etwa ließ ausrichten, sie werde gerne gratulieren, wenn das endgültige Wahlergebnis vorliege - was sie dann auch so tat. Der Weg Polens ist nicht ohne Nuancierungen zu beschreiben; das beginnt schon damit, dass viele Politologen Duda als bloße Marionette des PiS-Parteichefs Jaroslaw Kaczynski sehen, der den rückwärtsgewandten Kurs des großen Landes in den letzten Jahren bestimmt habe. Zu den Veränderungen gehörte nicht nur ein verstärkter Zugriff auf die Medien des Landes, Kern der autoritären Maßnahmen war die Justizreform, mit deren Hilfe die PiS das Verfassungsgericht vereinnahmte und auch die Richterschaft unter Kontrolle brachte. Vorgänge, die die EU-Kommission ebenso wie das EU-Parlament und andere Gremien als klaren Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit werten. Derzeit läuft ein entsprechendes Verfahren nach Artikel 7 und es macht den Eindruck, als wäre den Regierenden das völlig egal. Das gilt auch für Niederlagen vor dem Europäischen Gerichtshof.
Dabei ist Polen auf einem wirtschaftlich guten Weg und wird auch jetzt in der Vorschau auf das Corona-Wiederaufbauprogramm schon an dritter Stelle bei den EU-Zuwendungen geführt. Doch wenn es um europäische Werte geht, setzt Duda auf erzkonservative Haltung, etwa beim Thema Homosexualität: Er will das Verbot einer Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare in der Verfassung verankern lassen und fördert ein Klima der Intoleranz. So haben sich schon mehr als 100 Gemeinden des Landes zur „LGBT-Ideologie-freien“-Zone erklärt – was Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Montag am Rande des Ministertreffens in Brüssel so kommentierte: „Das ist eines europäischen Staates im 21. Jahrhundert einfach unwürdig und muss schnellstmöglich wieder aufgehoben werden.“ Länder wie Polen (oder Malta, Ungarn, Rumänen usw.) gehören zu den Gründen, warum die EU die Verwendung von Geldern in Zukunft an die Rechtsstaatlichkeit knüpfen will - was nun schwieriger ist.
Tatsächlich ist der weitere Weg Polens offen. Zu befürchten ist, dass der anti-europäische Kurs fortgesetzt wird. Gleichzeitig könnte Herausforderer Trzaskowski zu einer Leitfigur der Opposition werden, die immerhin die Hälfte des Landes umfasst und von der Regierungspartei nicht völlig ignoriert werden kann.