Für Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und ihr Team gilt die Coronakrise geradezu als Paradebeispiel für die Rolle des Bundesheeres in der Zukunft. Die Soldaten werden im Inland als Helfer in der Not wahrgenommen, assistieren Polizei und Behörden in allen möglichen Lagen und kommen idealerweise aus der Miliz. Der Anspruch, militärische Landesverteidigung im klassischen Sinn leisten zu können, spielt in diesen Überlegungen keine Rolle mehr, denn: ein konventioneller Angriff auf Österreich sei unrealistisch.
Tanner ließ ihr Kabinett richtungsweisende Pläne für das Heer ausarbeiten. Dieser Tage werden sie den Führungsoffizieren präsentiert, Widerstand wird nicht ausbleiben. Denn das Bundesheer soll sich in Richtung einer Armee „light“ entwickeln und nach jenen Bedrohungen ausgerichtet werden, deren Eintritt als wahrscheinlich gilt. „Systemischer Terrorismus“ gehört demnach nicht dazu, Migrationskrisen und Blackout-Szenarien schon.
Festhalten an Garnisonen
Auf das Heer kommt eine drastische Personalreduktion zu, wobei eine in den nächsten Jahren anstehende Pensionierungswelle hilfreich ist. Das hat auch die Aufgabe von Kasernen zur Folge, wobei Tanner an den Garnisonsstandorten im Prinzip festhält. Das heißt: Dort, wo schon Bundesheer vorhanden ist, bleibt es auch.
Für das Bundesheer der Zukunft bedient sich Tanners Team Slogans aus der Vergangenheit: Unter den Schlagwörtern „Schutz und Hilfe“ und „Unser Heer“ will es die Armee weiter in die Mitte der Gesellschaft rücken. Die Miliz soll gemäß dem Regierungsprogramm wieder die Bedeutung bekommen, die Verfassung und Wehrgesetz für sie vorgesehen hat. Milizsoldaten bilden das personelle Rückgrat für Einsätze im In- und Ausland, der Berufskader bildet in erster Linie Grundwehrdiener für ihre spätere Milizverwendung aus. Beorderte Soldaten sollen alle zwei Jahre für eine Woche zu Übungen eingezogen werden. Eine Verpflichtung zu Übungen ist politisch nicht gewollt, man setzt stattdessen auf höhere finanzielle Anreize und motivierte Soldaten.
Alles, nur keine Reform
Kommentar
Den Begriff „Reform“ vermeiden Tanner und ihr Kabinett tunlichst, doch bleibt in der neuen Heeresgliederung wohl kein Stein auf dem anderen. „Wir wollen noch schneller werden und die Abläufe verkürzen“, lautet das Motto. Ebenen der Führung werden zusammengelegt, betreffen wird das vor allem die Zentralstelle und die operativen Kommanden „Streitkräfte“ und „Streitkräftebasis“. Die Befehle kommen künftig direkt aus dem Ministerium. Eine zu große Wien-Lastigkeit des Systems soll aber vermieden werden, einige Elemente der Führung will man weiterhin in den Bundesländern (Salzburg, Steiermark) belassen.
Einen grundlegenden Neuansatz verfolgt man bei der Truppe. Die militärische Basisarbeit wird derzeit im Wesentlichen in den vier Landbrigaden geleistet. Künftig sollen die neun Militärkommanden die Truppe führen und nicht – wie derzeit – nur im Einsatzfall. Das heißt, dass es die Brigadekommanden (wie die Siebte in Klagenfurt) in dieser Form dann nicht mehr braucht. An den Verbänden selbst soll aber nicht gerüttelt werden. "Die Truppenstruktur bleibt im Wesentlichen erhalten", heißt es aus dem Ministerium.
Und es werden nicht mehr als ein bis zwei Bataillone mit Panzer bzw. Artillerie übrig bleiben. „Wenn die Regierung eine weitere Reduktion schwerer Waffen will, dann wird es diese geben“, heißt es lapidar. Die grundlegende Fähigkeit für diese Waffengattungen könne man auch so erhalten, sind die Planer überzeugt. Gänzlich auf Panzer verzichten wolle man auch nicht, denn schließlich „macht das ja das Militär aus.“
Schutz-und Hilfezonen
Der verstärkte Fokus auf Inlandsaufgaben spiegelt sich auch im so genannten „Schutz-und-Hilfezonenmodell“ wieder, das vom Kabinett Tanner erdacht wurde. Die Zonen decken sich im Wesentlichen mit den politischen Bezirken und haben einen militärischen Verband als regionales Zonenkommando.
Dieses ist eng verzahnt mit den Behörden, Gemeinden und Einsatzorganisationen in der jeweiligen Zone, ihm obliegt auch der Schutz kritischer Infrastruktur. Eine stärkere Autarkie der Kasernen wird angestrebt, dahingehende Pläne scheiterten bisher am fehlenden Geld.
Apropos Finanzen: Von einer nachhaltigen Aufstockung des Heeresbudgets ist keine Rede mehr, der von Minister Thomas Starlinger bezifferte Investitionsbedarf von 16,2 Milliarden Euro wird als utopisch betrachtet. Vielmehr wird das Bundesheer auf die vorhandenen Mittel ausgerichtet. Investiert werden soll dennoch, vor allem dort, wo man den größten Nachholbedarf sieht. Das sind die Cyberabwehr, Drohnenabwehr und Ausrüstung der Miliz.
Die Vorgaben der Politik muss der Generalstab bis zum Herbst in konkrete Planungspapiere umwandeln. Umsetzung? „Noch in dieser Legislaturperiode“, gibt man sich in Tanners Umfeld zuversichtlich.