Im Mai gab es auf den Hauptmigrationsrouten in Europa fast 4.300 unerlaubte Grenzübertritte, fast dreimal so viel wie im Vormonat, wie die EU-Grenzschutzagentur Frontex berichtet. Im April waren die Zahlen im Zuge der Corona-Pandemie auf ein Rekordtief gesunken. Insgesamt registrierte Frontex von Jänner bis Mai 31.600 illegale Grenzübertritte - sechs Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Die Route über das östliche Mittelmeer - also über die Türkei und Griechenland - war erneut die "aktivste Migrationsroute nach Europa". Hier stellte Frontex im Mai 1.250 irreguläre Grenzübertritte fest, achtmal so viele wie im April. Von Jänner bis Mai wurden 12.700 Fälle verzeichnet, 28 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Die meisten Flüchtlinge kamen aus Afghanistan.
Auf der Strecke über das zentrale Mittelmeer - also von Libyen und Tunesien nach Italien und Malta - gab es rund 1000 unerlaubte Grenzübertritte, ein Anstieg von 40 Prozent gegenüber April. Von Jänner bis Mai erfasste Frontex 5500 Fälle, fast dreimal so viele wie in der gleichen Periode 2019. Die Migranten stammten vor allem aus Bangladesch, dem Sudan und Cote d'Ivoire (Elfenbeinküste).
Über das westliche Mittelmeer - also von Marokko nach Spanien - kamen im Mai dem Bericht zufolge mehr als 650 Flüchtlinge. Das waren fast viermal so viele wie im April. In den ersten fünf Monaten des Jahres wurden 3700 Migranten registriert, weniger als die Hälfte als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Fast jeder zweite Flüchtling war Algerier. Auf der Westbalkanroute wurden im Mai mehr als 900 illegale Grenzübertritte verzeichnet, zehnmal mehr als im April. Von Jänner bis Mai gab es mehr als 6900 Fälle, ein Anstieg von 50 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
EU-Kommission drängt Staaten auf Reform
Die EU-Kommission drängt wie Deutschland bei der geplanten Asylreform darauf, den Umgang mit Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen grundlegend zu ändern. "Von dem Moment an, in dem jemand an die EU-Außengrenze kommt, muss etwas passieren", sagte Vizekommissionspräsident Margaritis Schinas beim "Delphi Economic Forum". Dies könne nicht nur den Ersteinreiseländern überlassen werden.
Die deutsche Bundesregierung pocht darauf, dass schon an den EU-Außengrenzen geprüft wird, ob ein Migrant schutzbedürftig ist. Falls nicht, solle er mithilfe der EU-Grenzschutzagentur Frontex ins Heimatland zurückgebracht werden. Dies würde auch die Frage der Verteilung der Schutzberechtigten vereinfachen.
Auch Schinas, der in der EU-Behörde auch für das Thema Migration zuständig ist, sagte nun: "Wir müssen eine umfassende Struktur organisieren, bei der vom ersten Moment an EU-Agenturen und EU-Regeln zuständig sind, so dass wir schnell entscheiden können, wer asylberechtigt ist und wer nicht", sagte der Grieche. Die Dublin-Regeln, wonach meist jener EU-Staat für einen Asylantrag zuständig ist, auf dessen Boden der Schutzsuchende zuerst europäischen Boden betreten hat, hätten dann keine Gültigkeit mehr.
Die EU-Kommission will noch in diesem Monat ihre Vorschläge für die lang erwartete Asyl- und Migrationsreform vorlegen, über die die EU-Staaten und das Europaparlament dann verhandeln könnten. Die Staatengemeinschaft kommt in der Sache seit Jahren kaum voran. Knackpunkt ist die Frage, wie Schutzsuchende auf die EU-Staaten verteilt werden. Einige Länder wie Österreich, Ungarn und Polen weigern sich partout, sich zur Aufnahme von Menschen verpflichten zu lassen.
Frontex baut Personal auf
Die Grenzschutzagentur soll nach Beschluss der EU-Länder personell massiv aufgestockt werden. Nach Auskunft von Frontex sei das Rekrutierungsverfahren für die neuen Mitarbeiter voll im Gang, es gibt rund 7500 Bewerbungen, ein Drittel davon hat schon die erste Interview-Runde hinter sich. Vor wenigen Tagen gab Frontex bekannt, dass die ersten 265 Kandidaten - sie stammen aus 21 EU-Ländern - das Angebot akzeptiert haben, Mitglied des "European Border and Coast Guard standing corps" zu werden. Sie sollen ihr sechs Monate umfassendes Ausbildungsprogramm noch im Juni beginnen; viele von ihnen haben bereits bisher bei Militär- oder Polizeieinheiten gearbeitet.