Der politische Schlagabtausch um die Neuinfektionen mit dem Coronavirus geht in die nächste Runde. Nachdem Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) gestern die Stadt Wien wegen der aktuellen Entwicklungen rügte, und der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker darauf in Fernsehinterviews meinte, Nehammer sei nicht dafür zuständig, trat der Innenminister heute erneut vor die Presse.
Er wiederholte das Angebot, dass die Gesundheitsbehörde auch in Wien Polizisten einsetzten solle, um im Falle einer Infektion die Kontaktpersonen der letzten Zeit ausfindig zu machen. Außerdem schlug er vor, dass Polizeibeamte die Einhaltung von Isolier- und Quarantänemaßnahmen überwachen sollen.
Wien als weißer Fleck bei Polizeisassistenz
In Österreich sei diese Assistenzleistung bereits fast 40.000 Mal durchgeführt worden. Wien habe sie als einziges Bundesland bisher nicht in Anspruch genommen.
Das sei wichtig, da sich in den letzten Tagen gezeigt hätte, dass unter den Leiharbeitern im niederösterreichischen Postverteilzentrum, das als Ausgangspunkt für viele Neuinfektionen gilt, auch eine Person war, die eigentlich unter Quarantäne stand. "Ich wiederhole mein Angebot an den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig", sagte Nehammer.
Es sei absurd, angesichts dieses Angebotes von "Wahlkampfgetöse" zu sprechen, sagte Nehammer: "Mit einem Anteil von 60 Prozent hat Wien die höchste Anzahl an Neuinfektionen. Wir müssen jetzt gemeinsam einen Wellenbrecher bauen."
Der Wiener Gesundheitsstadtrat Hacker hat zuletzt wiederholt betont, dass die Gesundheitsbehörden das Contact Tracing gut um Griff hätten und man keine Hilfe von der Polizei brauche. "Es ist keine Frage des Brauchens, sagte Nehammer, "es geht Effizienzsteigerung."
Ein Drittel weniger Gewalttaten
Gerhard Lang, der amtsführende Direktor des Bundeskriminalamtes, bekräftigte Nehammers Anliegen: "Unsere Beamten sind Experten bei der Einvernahme und können jederzeit von der Gesundheitsbehörde angefordert werden."
Er präsentierte auch erste Zahlen, wie sich die Kriminalität in Österreich während der Ausgangsbeschränkungen entwickelt haben: Vermögens- und Diebstahlsdelikten gingen im Vergleich zum Vorjahr um die Hälfte zurück, bei strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben gab es einen Rückgang um ein Drittel. "Hier müssen wir besonderes Augenmerk auf die Familie legen", sagte Lang. Man kenne die Situation, weil auch in Urlaubszeiten und zu Weihnachten Probleme in Familien häufig aufkochten.
Wiener ÖVP-Chef Blümel bleibt zurückhaltend
Der designierte ÖVP-Spitzenkandidat für die Wien-Wahl im Herbst, Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), reagierte am Rande einer Pressekonferenz auf das Hick-Hack zwischen Innenministerium und der Stadt Wien vergleichsweise zurückhaltend. "Ich glaube, dass wir alle gemeinsam ein Interesse haben sollten in Österreich, nämlich eine zweite Welle zu vermeiden. Da sollten wir alle gemeinsam daran arbeiten, dass wir das auch zusammenbringen. Ich glaube, es hat niemand ein Verständnis dafür, wenn man Probleme unter den Tisch kehrt, deswegen glaube ich, dass es gut ist, wenn man gemeinsam an Lösungen arbeitet."
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) mahnte angesichts des ziemlich großen COVID19 Clusters in je einem Postverteilerzentrum in Niederösterreich und Wien, dass sich alle Firmen in Österreich, so auch Leiharbeitskräfte, an die Regelungen zu halten hätten. "Sollte hier etwas nicht kommuniziert werden, hält sich mein Verständnis absolut in Grenzen, und dann muss es auch strenge entsprechende Maßnahmen geben. Dasselbe gilt für die zuständigen Behörden. Die sind aufgefordert, natürlich die entsprechenden Maßnahmen zu treffen, und das in jedem Bundesland, so auch in Wien. Wichtig wäre natürlich eine gute Kommunikation auch mit uns. Wir sind bereit, mit den anderen Ministerien, mit den Ländern und auch mit den Gemeinden entsprechend zu kommunizieren, und das erwarten wir auch von den entsprechenden Bundesländern, so auch von Wien", sagte die Ministerin.
Veronika Dolna