Empört über die Szenen beim Besuch von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Kleinwalsertal haben sich SPÖ und FPÖ gezeigt. Was in puncto Abstandsregeln für alle gelte, müsse auch für den Kanzler gelten, mahnte die Opposition am Donnerstag. Kurz sei jetzt eindeutig ein "Lebensgefährder" - noch dazu, wo in der Menge viele ältere Menschen gewesen seien, befand FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl.
Diesen Terminus hatte Kurz' Parteikollege und Innenminister Karl Nehammer gebraucht, erinnerte Kickl, der die gesamte Regierung der "Heuchelei und Doppelmoral" bezichtigte. Kurz ignoriere "munter seine eigenen Vorgaben, obwohl ja angeblich die Apokalypse über Österreich hereinbricht, wenn man dem Wort des Kanzlers nicht buchstabengetreu Folge leistet".
Die Neos fordern von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) eine Entschuldigung für die Vorkommnisse bei seinem Besuch im Kleinwalsertal in Vorarlberg. "Was man gestern gesehen hat, entbehrt jeglicher Ernsthaftigkeit und jeglichem Verantwortungsbewusstsein", kritisierte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger bei einer Pressekonferenz am Donnerstag.
Die SPÖ echauffierte sich in einer Aussendung über die "Skandalbilder" aus Vorarlberg und die "Verhöhnung der Bevölkerung". "Seit Wochen werden Leute mit hohen Geldsummen bestraft, die sich nicht an die Abstandsregeln halten, in Wien wurden vom Bund riesige Parkanlagen gesperrt, tausende Menschen arbeiten den ganzen Tag mit Atemschutz", sagte Vizeklubchef Jörg Leichtfried. Doch "wenn der Kanzler meint, er muss einen Show-Auftritt machen, ist alles egal?", fragte er.
Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) zeigte sich gegenüber dem "Antenne"-Privatradio "erschüttert" und glaubte zunächst an einen "fake": "Wir leben in besonderen Zeiten, in denen Begräbnisse und Hochzeiten limitiert sind, der Mindestabstand zum Dogma geworden sei, Sport- und Kulturveranstaltungen untersagt würden, "und dann macht der Bundeskanzler eine PR-Tour ohne Ordnungskräfte und Regulierung". Kaiser: "Das ist ein Schlag ins Gesicht derer, die sich an die Regeln halten. Das tut mir im Herzen weh!"
Leichtfried kündigte eine parlamentarische Anfrage gemeinsam mit SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwaller an. Es stelle sich die Frage nach der Organisation im Vorfeld. "Wir wollen vom Gesundheitsminister auch wissen, ob die zuständige Bezirkshauptmannschaft Bregenz davon gewusst hat und Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden", erklärte Leichtfried. Nehammer soll zum Vorgehen der Polizei befragt werden. "Dieser Skandal gehört aufgeklärt", forderten die beiden SPÖ-Abgeordneten.
Die Neos zeigten sich ebenfalls empört. Tausende Künstler dürfen nicht ein mal im Freien auftreten und bangen um ihre Existenz und der Kanzler inszeniere sich. "Die Leute sind angefressen", sagte Meinl-Reisinger. "Ich erwarte mir eine Entschuldigung von Kurz und Landeshauptmann Markus von Wallner."
Neos-Abgeordneter Sepp Schellhorn kündigte Mittwochabend eine Anzeige an. Meinl-Reisinger sagte auf Nachfrage, dass eine Anzeige geprüft werde. Es könne nicht sein, dass viele Menschen in den letzten Wochen 500 Euro zahlen mussten, weil sie auf einer Parkbank oder zu viert im Auto gesessen sind und der Kanzler die Regeln nicht einhalte.